Die ersten Zeitungen in Altona In der unmittelbaren Nachbarschaft Hamburgs entstand im dänischen Altona ein für Hamburg konkurrierendes Pressezentrum. Nach Kopenhagen war Altona die zweitgrößte Stadt im dänischen Herrschaftsbereich. Die politischen Gegebenheiten zwischen Hamburg und Dänemark waren nicht immer spannungsfrei. Das blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Presseerzeugnisse, die sich gegenüberstanden. Es entwickelte sich eine Konkurrenz besonderer Art. Eine uneingeschränkte Pressefreiheit war zu der Zeit nicht gesichert. Staatliche Pressezensur überwachte die Zeitungen, wenn auch nicht von einer Gängelung gesprochen werden kann. So erfuhren beide Seiten etwas über sich selbst durch die gegenüberliegende Konkurrenz, weil die Zensurbehörden in solchen Fällen jeweils Nachsicht übten. Durch das so gesteigerte Interesse zog der Pressemarkt daraus seine Vorteile. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts wurden in Altona fünf Zeitungen herausgegeben. Drei davon überdauerten nahezu das ganze 18. Jahrhundert. Ende der achtziger Jahre des 17. Jahrhunderts existierten acht Zeitungen gleichzeitig im Altona- Hamburger Raum. Altona erhielt 1664 das Stadtrecht. Schon 1658 wurde dem aus Friesland immigrierten Verleger Victor de Löw das Zugeständnis gemacht, eine Druckerei zu errichten und eine Zeitung zu verlegen. Das königlich- dänische Dokument hatte den Wortlaut: „Wir Friedrich III. Thun kund hiemit, dass wir dem Ehrsamen unseren lieben getreuen Victor de Löw aus Friesland bürtig, eine Buchdruckerei in unserem Städtchen Altenah anzuordnen und dadurch seine Nahrung zu suchen allergnädigst eingewilligt. Thun auch solches hiemit Krafft dieses dergestalt, daß er sich häuslich niederlassen, eine Buchdruckerey einrichten, Bücher einbinden und sich dadurch in ehrlicher Weise ernähren möchte....“ Die eigentliche Zeitungsgeschichte beginnt in Altona im Jahre 1672 dem Jahr, in dem Ludwig XIV. seinen Feldzug gegen Holland begann. Im selben Jahr begann Victor de Löw den Druck einer titellosen Zeitung, die 1674 unter dem Namen „Altonaische Relation“ in Umlauf gebracht wurde. Sie erschien viermal wöchentlich. 1675 kam als „Europäische Relation“ eine weitere Zeitung hinzu, die dreimal wöchentlich erschien. Eine dritte Ausgabe, die „Europäische Fama“ erschien erstmalig 1683. Es waren Schwesternblätter, jede für sich aber eigenständig. Mit verschiedenen Blättern sollte unterschiedlichen Lesergruppen und Bedürfnissen begegnet werden. Mit der „ Altonaischen Relation“ trat der Herausgeber an seine Leser heran mit einem Versprechen: „Wir schreiben alles auff/ was wird, ist und vergeht/ Die wil das Schreiben nur und Denken noch besteht. Wer dieses liest und noch wird das zukünftige lesen und sehen/ das was da kommt, sey auch vorher gewesen.“ Die „Europäische Relation“ war anspruchsvoller und hatte, wie der Name schon erkennen lässt, Ereignisse von größerer Tragweite im Blick. In den achtziger Jahren des 17. Jahrhunderts wurde eine Übersicht mit Auszügen aus der niederländischen Presse eingefügt, was sich auf die ohnehin vertieften Handelsbeziehungen auswirken sollte. Die zunehmende Zahl von Anzeigen waren ein weiterer Gesichtspunkt, Leser anzuziehen und zu gewinnen. Nach dem Tode Victor de Löws führte seine Witwe den Betrieb weiter. Sie begründete die Ausgabe einer Zeitung: die „Europäische Fama“ mit einem bestimmten Themenkreis, der sich auf politische und militärische Ereignisse bezog: Die Entsetzung Wiens, das 1683 von den Türken belagert worden war, lenkte die Aufmerksamkeit der Leser der Zeit auf sich. Ein Bericht dazu in einem Auszug: „ Die Welt ausbreitende(Famavignette) bringet uns eine Zeitung/ welche die ganze Christenheit erfreuet. Höret demnach kürtzlich/ Was uns in Eyl berichtet wird/ von der so hart belagerten und geplagt gewesenen Käyserl. Residence Stadt Wien.“ De Löw hatte das Herstellungsverfahren auf einen modernen Stand der damaligen Technik gebracht. Erhalten gebliebene Exemplare aus den Jahren 1684- 1687 lassen erkennen, das neu eingegangene Nachrichten während des Druckvorganges mit berücksichtigt wurden. Die Anforderungen an die Redakteure machte im Verlauf der Entwicklung mit den steigenden Ansprüchen der Leser eine akademische Bildung erforderlich. Einer der leitenden Redakteure in der Produktion des von de Löw gegründeten Presseunternehmens, der diesen Anforderungen gerecht wurde, war Johann Frisch, der sein Amt bis zu seinem Tode 1692 innehatte. Er hatte die Zeitungen besonders mit Reisebeschreibungen bereichert. Die Zeitungen dienten nicht nur der Information. In den Ausgaben der „Europäischen Relation“ war das Bestreben erkennbar, das Bildungsniveau der Leser zu in so bezeichneten „Vernunft- Übungen“ zu heben. Das Verhältnis zwischen den Zeitungsstädten Hamburg und Altona war nicht frei von privaten Konflikten. Heinrich Heuß war als Drucker und Verleger in Hamburg tätig und zugleich am Unternehmen de Löws beteiligt. Der Drucker Christian Reimers, angeregt durch den Erfolg, den de Löw mit seinem Zeitungsunternehmen aufweisen konnte, trachtete danach ebenfalls in Altona das Privileg eine Druckerei zum Zeitungsdruck zu erlangen.. Um dieses Ziel zu erreichen, griff er zum Mittel der Intrige. Er nutzte die Interessengegensätze zwischen Hamburg und Dänemark, um sich auf dem Altonaer Zeitungsmarkt eine Vorrangstellung zu verschaffen. Im Dezember 1687 richtete er ein Gesuch an den dänischen König Christian V. , mit dem eine Anschuldigung gegen Anna de Löw verbunden war. Sie habe, so Reimers in Verbindung mit seinem Gesuch, während der Belagerung Hamburgs durch die Dänen 1686 und auch sonst eine antidänische Haltung eingenommen. Sein Ziel erreichte er jedoch nicht, zwar verlor Anna de Löw ihr Monopol für Altona, aber nicht ihr Privileg, und Reimers bekam die Erlaubnis, eine Druckerei zum Zeitungsdruck zu errichten und gab den „Altonaischen Mercurius“ heraus. Die Verbindung Heuß/de Löw ermöglichte es Heuß von Hamburg aus, Beiträge zu veröffentlichen, unter Umgehung der Hamburger Zensoren. Vier Zeitungen dominierten im 18. Jahrhundert die Zeitungslandschaft in und um Hamburg und Altona: Der „Relations Courir“ des Hamburger Verleger Wiering, dem auch die „Staats- und gelehrten Zeitung des Hamburgischen unparteyischen Correspondenten“ zu eigen war und für Altona der „Altonaische Mercurius“ sowie der „Reichs- Post- Reuter“. Um 1740 kamen die „Relation aus dem Parnasso“ und die„Neue Hamburgische Zeitung“ hinzu. Von diesen sechs Blättern hatten vier ihre Wurzeln im 17. Jahrhundert. Im Dezember 1673 erhielt Thomas von Wiering vom Hamburger Senat die Konzession, eine Zeitung zu drucken und herauszugeben. 1696 wurde der Name seiner Zeitung in „Hamburger- Relations- Courier“ umbenannt. Heinrich Heuß, der 1696 in Altona ebenfalls einen „Relations Courier“ in Umlauf brachte, änderte diesen Namen später in „Reichs- Post- Reuter“ nach heftigen Streit mit Wiering, der sich als eine schaffensfreudige Konkurrenz erwies und mit seiner Zeitung neue Akzente setzte. Wiering konnte mit drei großen Leistungen aufwarten, die seine Zeitung über Hamburg hinaus zu einem Spitzenprodukt werden ließen in Erscheinungshäufigkeit, Umfang und in Schnelligkeit der Aktualisierung der Nachrichten. Wegen hoher Auflagen konnte ein Preisvorteil entstehen. Es gelang ihm weiter mit einem besonderen Wirtschaftsteil sowie Informationen, die für Kaufleute wichtig waren, diesen Leserkreis vermehrt für sich zu gewinnen. Zu beginn des 18. Jahrhunderts gewann auch der Anzeigenteil an Bedeutung, den Wiering zu nutzen verstand. Von Altona ausgehend gelang es Heinrich Heuß den „Reichs- Post- Reuter“ als angesehene Zeitung im 18. Jahrhundert zu etablieren. Konflikte ergaben sich mit Reimers, bei dem Heuß seine Zeitungen drucken lassen musste und so abhängig war. Der Schwerpunkt der Zeitung lag auf Berichterstattung politischer und militärischer Ereignisse. Eine Besonderheit waren zusammengefasste Berichte aus der vergangenen Woche. Die bereits erwähnte „Staats- und gelehrten Zeitung des Hamburgischen unparteyischen Correspondenten“, kurz „Correspondent“ genannt, die 1712 gegründet wurde, erlangte einen Ruf, die ihn zu den besten europäischen Zeitungen werden ließ. Ein europaweit verzweigtes Korrespondentennetz brachte den Vorteil, vertiefte Erkenntnisse über bedeutende politische Entwicklungen in den verschiedenen europäischen Staaten zu vermitteln. Der „Correspondent“ entwickelte sich zu einem führenden Presseorgan nicht nur für Hamburg, sondern flächendeckend für Deutschland. Es gab Regionen, in denen der „Correspondent“ geradezu konkurrenzlos dastand. Zu seinen Lesern gehörten durch das 18. und frühe 19. Jahrhundert hindurch führende Persönlichkeiten der Politik und des Geisteslebens wie Friedrich der Große, Wilhelm Hauff, Johann Gottfried Herder, Gotthold Ephraim Lessing. Die Geistesströmungen der Aufklärung mit ihren Disputationen liefen hier zusammen. Der „Correspondent“ und sein maßgeblicher Einfluss machten Hamburg zu einem Pressezentrum in Deutschland. Vermehrt hielt der „gelehrte Artikel“ Einzug in die Presselandschaft. Philosophie, Theologie, Literatur, Naturwissenschaft, Medizin, Volkskunde, Juristisches und moralische Standards der Gesellschaft wurden erörtert. Dazu ein Beispiel: „Ob eine Dame/ wenn sie verheuratet ist/ mit guter Raison einige von ihren vormaligen Freyern an sie geschickte Briefe bey sich behalten und verwahren könne.?“ Oder: Warumb die Liebe gemeiniglich im Ehestande kalt sey?“ Das Zeitalter der Aufklärung kündigte sich an. In der Literaturkritik wurde das Bemühen um die „Reinigkeit“ der Sprache zu einem wichtigen Kriterium. Das beginnende Zeitalter eines Höhenfluges der deutschen Kultur- und Geistesgeschichte kündigte sich ebenfalls an. |