Lutherrose

Schreiben an die Tschechische Botschaft

Antwort Bundeskanzleramt

                     5300 Bonn 1, den 9 Juli 1992
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Bundeskanzleramt

 

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Bundeskanzleramt Postfach 5300 Bonn 1

Herrn
Heinz Drews
Postfach 605 475

 

2000 Hamburg 60


Sehr geehrter Herr Drews,

der Bundeskanzler hat mich beauftragt, Ihnen für Irh Schreiben vom 27. Juni 1992 und die Übermittlung der beigefügten Anlagen zu danken. Von Ihren Ausführungen wurde Kenntnis genommen, wenn viele- Ihrer Wertungen auch nicht geteilt werden können. Dies gilt insbesondere auch für Ihre den ehemaligen Staatratsvorsitzenden Erich Honecker betreffenden Äußerungen. Viele Menschen nicht nur in den neuen Bundesländern, sondern die meisten Deutschen erwarten, daß so bald wie möglich eine persönliche, historische, politische und juristische Aufarbeitung der Hinterlassenschaft der, DDR erfolgt. Sowohl das Land Berlin als auch die neuen Bundesländer haben zentrale Ermittlungsstellen eingerichtet. Durch die Konzentration der Ermittlungen werden diese erleichtert und beschleunigt. Jede dieser Ermittlungsstellen ist mit einer sehr großen Zahl einzelner Verfahren belastet. Die Strukturen des unmenschlichen Repressionsapparates der ehemaligen DDR müssen offengelegt werden; wer Schuld auf sich geladen hat, muß zur Verantwortung gezogen werden.Dies erfordert, daß die Staatsanwaltschaften - wie es unsere Rechtsordnung vorsieht - jedem Verdacht auf eine strafbare Handlung nachgehen. Sie führen die erforderlichen Ermittlungen durch und erheben - falls sich der Verdacht erhärtet - Anklage. Natürlich darf dieser Grundsatz nicht nur für diejenigen gelten, die eine Straftat unmittelbar "vor Ort" begangen haben, sondern auch für die, die sie angeordnet oder sonst dafür Verantwortung getragen haben - in erster Linie also auch für Erich Honecker.Bei diesem Personenkreis ist es schwieriger und zeitraubender, den Sachverhalt aufzuklären.und den jeweiligen Tatbeitrag festzustellen. Dies wird vielfach auch dadurch erschwert, daß Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes die Zeit bis zum Beitritt der DDR dazu genutzt haben, wichtige Unterlagen zu vernichten oder sie anderweitig dem Zugriff der Behörden zu entziehen.Gegen Honecker und fünf weitere ehemalige Mitglieder des sog. Nationalen Verteidigungsrates der damaligen DDR liegen Haftbefehle des zuständigen Berliner Gerichts vor, durch die ihnen wegen der Todesschüsse an der damaligen Mauer und wegen der Anlage von Minenfeldern Totschlag zur Last gelegt wird. Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen wegen dieser Vorwürfe Anklage bei dem Landgericht Berlin erhoben.Die Bundesregierung wird nichts unversucht lassen, um eine Rücküberstellung Erich Honeckers zu erreichen. Sie hat dies gegenüber-den Regierungen Rußlands und Chiles mehrfach eindeutig zum Ausdruck gebracht. Sie wird deshalb weiterhin mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln darauf hinwirken, daß Erich Honecker deutschen Behörden überstellt wird, damit ein Strafverfahren nach rechtsstaatlichen Grundsätzen gegen ihn durchgeführt werden kann.
Ich möchte Ihnen in diesem Zusammenhang den Debattenbeitrag des Bundeskanzlers anläßlich der Einsetzung einer Enquete Kommission zur Aufarbeitung der Geschichte und-die Folgen der SED-Diktatur im Deutschen Bundestag vom 12. März 1992 im Wortlaut übermitteln. Der Bundeskanzler sagte damals fölgendes:

 

  • "Meine Damen und Herren!
  • Im Vorfeld des Besuches des damaligen Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker waren viele Gespräche darüber geführt worden, was für die Menschen in der damaligen DDR wie auch in der damaligen Bundesrepublik psychologisch erträglich sein würde. Ich stehe nicht an zu erklären, daß unter den vielen Entscheidungen in den beinahe 10 Jahren meiner Amtszeit für mich die Entscheidung über den Ablauf dieses Besuches eine der schwierigsten war. Der Besuch mußte so ablaufen, sonst wäre er-nicht zustande gekommen. Was nun das Ziel des Besuches? Ziel des Besuches war für uns doch, alles zu tun, um die Mauer durchlässiger zu machen. Ziel dieses Besuches war aus meiner Sicht das, was wir nach meiner Amtsübernahme als Bundeskanzler eingeleitet hatten - ich-sage das gerne einmal bei dieser Gelegenheit: auch tatkräftig unterstützt von Franz Josef Strauß -, fortzusetzen und mittels der Gewährung einer Kreditgarantie die Mauer durchlässiger zu machen. Daß es zu den Ereignissen des Jahres 1989, zum 9. November 1989, zum Fall der Mauer,. kommen konnte, hat viele Gründe, die ihren Ursprung nicht in Deutschland hatten - aber auch Gründe, die ihren Ursprung in Deutschland hatten. Zu den wichtigsten Gründen, die ihren Ursprung in unserem Land hatten, gehörte, daß bis zum Fall der Mauer viele Millionen Landsleute aus der damaligen DDR zum Besuch in die Bundesrepublik kommen und bei dieser Gelegenheit erleben konnten, daß die ganze SED-Propaganda über die Verhältnisse in der Bundesrepublik verlogen und falsch waren, um daß sie-neue Hoffnung geschöpft haben, auch neue Hoffnungen auf die Einheit unseres Vaterlandes.
  • Wenn ich auf etwas von dem stolz bin,.was in den vergangenen Jahren geleistet wurde., dann darauf, daß ich am Abend des 7. September 1987 vor dem Forum der deutschen Öffentlichkeit in Ost und West - und nicht hinter verschlossenen Türen - und in Anwesenheit von Herrn Honecker sagen konnte, daß die Mauer fällt, daß die Einheit unseres Vaterlandes kommt. Daran habe ich immer geglaubt."

Vor dem Hintergrund dieser Erklärung sowie der Ansprache, die der Bundeskanzler am 7. September 1987 in der Redoute in Bad Godesberg gehalten hat und deren Text ich Ihnen im Wortlaut beifüge, sollten Sie Ihre kritischen Äußerungen nochmals überdenken.

Abschließend muß ich Sie um Verständnis dafür bitten, daß es von hier aus grundsätzlich nicht möglich ist, zu Schreiben Stellung zu nehmen, die an Dritte gerichtet sind. Insofern ist es auch   mir nicht möglich, auf die von Ihnen beigefügten Anlagen-einzugehen.

 

             Mit freundlichen
Unterschrift02
               Bernhard Hayer.

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Schreiben an Bundeskanzler Helmut Kohl vom 27. Juni 1992

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