Heinz Drews Hamburg, den 27. Dezember 2000 Postfach 605475 22249 Hamburg Redaktion der SCHLESISCHEN NACHRICHTEN Dollendorfer Straße 412 53639 Königswinter Sehr geehrte Redaktion! Vorweg wünsche ich der Redaktion Ihrer Zeitung für Schlesien für das kommende Jahr ein erfolgreiches Wirken. Seit mehr als zehn Jahren bin ich Leser der SCHLESISCHEN NACHRICHTEN. Selber bin ich kein Vertriebener, und auch meine Vorfahren stammen nicht aus den ehemals deutschen Ostgebieten, sondern waren Schleswig-Holsteiner. Was mich mit den Vertriebenenverbänden verbindet ist der politische Kampf, die Deutsche Geschichte und eine deutsche kulturelle Eigenständigkeit zu erhalten. Im Verlauf der letzten Jahrzehnte ist es einer politischen Propaganda gelungen, insbesondere der jungen Nachkriegsgeneration eine Verachtung anzuerziehen gegen die deutsche Nationalität und dem damit verbundenen kulturellen Erbe. Um das zu erreichen ist das Hitler- Regime instrumentalisiert worden bis zum Exzess. So ist der Eindruck entstanden, als sei Hitler die Deutsche Geschichte und die Deutsche Geschichte Hitler. Wie deutsch aber war Hitler wirklich? Allein die Symbolik, die er seiner Ideologie zugrunde gelegt hatte, findet in der gesamten Deutschen Geschichte keine Entsprechung. Und was war germanisch an Hitler? Die Huldigung durch Handaufheben war bewusst dem römischen Kaiserkult entlehnt. Hitler hat die Errungenschaften und Tugenden der Deutschen Geschichte mit einer raffinierten Taktik ausgenutzt, um seine Ideologie und Machtgier zu beflügeln. So raffiniert, daß auch viele Geistesgrößen der Zeit es in der Anfangsphase nicht erkannt haben und das nicht nur in Deutschland, sondern auch außerhalb Deutschlands. Oder wie ist sonst die Unterstützung zu erklären, die das Hitler-Regime von internationale Ebene aus erfahren hat. Ein anderer Grund für die massive Förderung, die dem Hitler-Regime von außen zuteil geworden ist, könnte darin bestanden haben, Deutschland nicht nur materiell, sondern auch ideell zu schädigen. Die These, Hitler und sein ideologischer Anhang seien in der Kontinuität der Deutschen Geschichte gewesen und mußten notwendigerweise aus ihr hervorgehen, muß absolut abgelehnt werden. Hitlers Politik war ein Bruch mit dem christlich- humanistischen Grundzug der Deutschen Geschichte. Ein Grundzug, der in der deutschen Kultur- und Geistesgeschichte tiefe Wurzeln hatte und hat. Ebenso hat in den Beziehungen zwischen Slawen und Germanen durch die Jahrhunderte nie das rassische Element im Vordergrund gestanden, sonder der geistig-kulturelle Austausch und seine Bewertung. Hier in Hamburg ist es mir seit Jahren immer wieder aufgefallen, daß polnische Ensembles aus Warschau, Lodz, Bromberg und Krakau deutsches Kulturgut verbreiten, woran die Deutschen selber offensichtlich kein allzu großes Interesse mehr haben. Die Wechselbeziehungen zwischen Deutschland, Polen, Rußland und anderen östlichen Nachbarn waren in der Geschichte viel tiefgreifender und umfassender als mit den westlichen Nachbarn Deutschlands und das positive Element überwiegt hier. Die Wende vor etwas mehr als zehn Jahren war für mich insofern eine Enttäuschung, weil ich mir gewünscht hatte, daß die Politik an die zuvor genannte Tradition angeknüpft hätte. Es wäre gut gewesen, wenn Deutschland mit seinen östlichen Nachbarn eine ebenso intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit hätte betreiben können wie mit seinen westlichen Nachbarn und Verbündeten. Das lag offenkundig nicht im Interesse westlicher Politik und der Nato-Strategie. An die Polnische Botschaft und an die diplomatischen Vertretungen der UdSSR und später der Föderativen Russischen Republik habe ich zahlreiche Stellungnahmen gerichtet, denen zeitweise umfangreiches Informationsmaterial beigefügt war. Darin habe ich vorgeschlagen, daß Polen und Deutschland die Zusammenarbeit mit ihren östlichen Nachbarn als gemeinsame Aufgabe wahrnehmen sollten. Eine Politik, die darauf abzielt, Polen als politisches Instrumentarium zu nutzen, um einen Keil zwischen Deutschland und Russland zu treiben, muß abgelehnt werden. Der designierte amerikanische Außenminister, Enoch Powell, hat kürzlich verlauten lassen, die amerikanische Außenpolitik werde Russland und China in Zukunft nicht mehr als Partner betrachten. Es steht möglicherweise eine neue Politik der Konfrontation ins Haus, die nur zu Lasten Deutschlands und seiner östlichen Nachbarn gehen kann. Nach dieser kurzen Einführung weise ich hin auf die beigefügte Ablichtung eines Schreibens an die Redaktion des OSTPREUSSENBLATTES vom 22. März 1997. Das Schreiben ist unbeantwortet geblieben. In dem Schreiben habe ich auch einige Repressalien geschildert, die sich in Zusammenhang mit meiner politischen Tätigkeit ergeben haben. Sodann weise ich hin auf die Kopie eines Schreibens an CDU- Präsidiumsmitglied Volker Rühe vom 14. November 1998. Darin habe ich Vorschläge unterbreitet zu einer möglichen deutschen Einwanderungs- und Ausländerpolitik. Ich bin für eine konsequente Einwanderungsgesetzgebung mit einer ebenso konsequenten politischen Zielsetzung, die darin bestehen sollte, eine Grundlage zu schaffen für eine politische, wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern der Menschen, die nach Deutschland kommen. In einem solchen System wären die Menschen, die nach Deutschland aus anderen Ländern einwandern, gleich in die Pflicht genommen, sie hätten eine Aufgabe. Das wäre von Nutzen für Deutschland und für die verschiedenen Nationalitäten, die sich in Deutschland niedergelassen haben und ebenso für deren Herkunftsländer. Oft ist von einer multikulturellen Gesellschaft die Rede, aber das ist überhaupt keine multikulturelle Gesellschaft, schon deshalb nicht, weil das kulturelle Erbe Deutscher Geschichte daran nicht teilhaben soll. Die Deutschen sollen ein von einem Stigma gekennzeichneter Teil dieser Gesellschaft sein und bleiben, also zweitklassig, und alles immer schön mit dem Hinweis auf Adolf Hitler. Ein weiteres Schreiben ist mit Datum vom 8. November 1997 an „Spiegel“ – Herausgeber Rudolf Augstein ergangen, das er persönlich am 17. November 1997 beantwortet hat. Beide Schreiben sind als Ablichtung beigefügt. Das Schreiben an Rudolf Augstein ist für die Vertriebenenverbände besonders wichtig, warum, das werde ich kurz erläutern. Im August 1945 formierten sich die evangelischen Christen in Deutschland neu unter der Bezeichnung EKiD (Evangelische Kirche in Deutschland). Führende Mitglieder dieser Neugründung hatten zur Zeit der NS- Herrschaft der Bekennenden Kirche angehört, die sich um eine Bekenntnisschrift versammelt hatte, in der Hitler und der NS- Ideologie kein Platz eingeräumt worden war. Geistliche, die nicht bereit waren mit der NS- Ideologie einen Kompromiß einzugehen und Abstriche vom christlichen Bekenntnis zu machen, wurden drangsaliert, bespitzelt, und in KZ-Haft genommen. Bemühungen der Bekennenden Kirche, von den Kirchen der Ökumene aus Skandinavien, dem Vereinigten Königreich und Amerika, Unterstützung und Anerkennung zu finden für das Ringen mit den NS-Machthabern, wurden abgewiesen. Im Oktober 1945 formulierten die führenden Vertreter der neu gegründeten EKiD die „Stuttgarter Erklärung“, die später uminterpretiert wurde als „Stuttgarter Schuldbekenntnis“. Alle Unterzeichner der „Stuttgarter Erklärung“ hatten in der NS-Zeit der Bekennenden Kirche angehört. Ein Unterzeichner hat denn auch geäußert: „Ich weiß nicht, warum ich mich schuldig fühlen soll. Ich habe acht Mal im KZ gesessen.“ Zu den Beratungen waren auch führende Vertreter der Ökumene angereist, um darauf zu drängen ein Schuldbekenntnis zu formulieren. Dieselben Vertreter, die während der NS-Herrschaft den deutschen Glaubensbrüdern die Solidarität verweigert hatten. Nota bene! Druck zum Zustandekommen der Erklärung wurde auch von den drei Militärregierungen der Westalliierten ausgeübt. Ein weiteres und besonderes Druckmittel war die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus den Ostgebieten, die damals in vollem Gange war. Auf diesen historischen Tatbestand muß nachdrücklich hingewiesen werden. Gegenüber der katholischen Kirche ist genauso verfahren worden. Clement von Galen der Bischof von Münster, der in der NS-Zeit Hitler offen von der Kanzel Hitler als Antichristen bezeichnet hatte, setzte sich denn auch dagegen entschlossen aber vergeblich zur Wehr. So wurden die, die berufen gewesen wären Deutschland im besten Sinne zu erneuern, neue ethische Maßstäbe zu setzen, und den Menschen in Deutschland moralischen Rückhalt zu geben, von Anbeginn mit System und wohlbedacht ausgeschaltet. Ein Europa der Versöhnung ist nie angestrebt worden weder nach dem Ersten Weltkrieg noch nach dem Zweiten Weltkrieg, und es wird auch heute nicht angestrebt. Was sich heute in Europa entwickelt ist ein Europa der Rivalitäten, der letzte Gipfel in Nizza hat das noch einmal deutlich erkennen lassen. Es erfüllt sich der Satz, den ein maßgebliches französisches Presseorgan im September 1992 veröffentlicht hat: „Deutschland wird zahlen sagte man in den zwanziger Jahren. Deutschland zahlt heute. Maastricht ist der Versailler Vertrag ohne Krieg.“ Die Vertriebenenverbände haben mit ihrer Charta im August 1950 ein Zeichen der Versöhnung gesetzt. Eine Reaktion ist darauf bis heute nicht erfolgt. Mit freundlichen Grüßen  |