Lutherrose
Zwischenbilanz
NavHome A24

Zwischenbilanz

Reform und Revolution

Reform ist etwas grundlegend anderes als Reformation und steht auch in einem Gegensatz zur Revolution. Reform kann unbedingt politisch gedeutet werden, das gilt ebenso für eine Revolution. Reformation (Wiederherstellung) wird gemeinhin verstanden als eine Umformung der Gesellschaft nach christlichen Grundsätzen.

In dieser Betrachtung steht dann die Reform wiederum in der Mitte zwischen Reformation und Revolution.

Martin Luther hat seine Sicht über die Entwicklung zu den Bauernkriegen und das Ausmaß der Grausamkeiten, die auf beiden Seiten begangen wurden, in einen dogmatisch- theologischen Rahmen gefasst und ethische Maßstäbe gesetzt, wie sie im christlichen Kanon der Bibel niedergelegt sind. Beide Seiten beriefen sich auf Grundsätze, die der Botschaft des Evangeliums entnommen worden waren. Das war nicht neu und ist auch in den nachfolgenden Jahrhunderten in der Geschichte so gehandhabt worden, um Machtansprüche und politische Forderungen durchzusetzen.

1914 begann der Erste Weltkrieg. Deutschland konnte als ein frommes Land gelten. Jede erste Stunde an den Schulen begann mit Gebet und Religionsunterricht. Mit Ausbruch des Krieges wurde Luthers wohl bekanntestes Gedicht: „Ein feste Burg ist unser Gott“ geradezu zu einem Schlachtruf. Luther hätte das entschieden missbilligt. Jedenfalls stand es seinem Verständnis, das er als Glaubensgrundlage ansah, entgegen. Der von ihm gedichtet Text hatte individuellen Bezug und beschreibt das Ringen um den Glauben gemäß dem Evangelium. Nie wäre es Luther in den Sinn gekommen, den Inhalt als Demonstration nationaler und politischer Macht zu betrachten und zu verwenden. Beide Seiten lieferten theologische Begründungen für den Krieg. So äußerte Papst Benedikt XV. nach dem Krieg: „Den Krieg hat Martin Luther verloren.“ Oder eine andere Stimme: „Den Krieg hat Johannes Calvin gewonnen,“ im Hinblick auf die angelsächsischen Mächte.

Nicht selten ist Luthers Haltung in der Geschichte politisch interpretiert worden, obwohl sein eigentliches Anliegen nicht missverstanden werden konnte. Luthers Aussagen politisch zu deuten führt zu einer Betrachtung, die mit einer Hypothese verbunden werden muss. Luther hat die Fürsten zu einem harten durchgreifen aufgefordert, um eine Herrschaft der aufständischen Bauern überhaupt zu verhindern. Wenn es den Bauern gelungen wäre, die politische Macht an sich zu reißen, hätte das unausweichlich zu neuen Machtverhältnissen

geführt. Ob dann eine Gesellschaft entstanden wäre, die mehr Gerechtigkeit und bessere Lebensverhältnisse zum Inhalt gehabt hätte ist eine Frage, die nach einer definierbaren Antwort sucht. Die Erfahrungen, die gemacht worden sind, die mit Revolutionen gemacht worden sind, lassen Zweifel aufkommen. Luther war ohnehin überzeugt, dass sich daraus neues und größeres Unheil ergeben hätte.

Die Geschichte hat Luther Recht gegeben.

Martin Luther wollte die Verhältnisse ändern durch die Überzeugungskraft „des Wortes“. Das ist ihm nur zum Teil gelungen, es ist ihm aber auch nicht gänzlich misslungen.

Die Anhänger des Reformators Calvin hatten zur Anwendung militärischer Gewalt keine solchen Berührungsängste wir Martin Luther. Auflehnung gegen Tyrannenherrschaft war der Lehre Calvins gemäß legitim. Die Hugenotten in Frankreich gründeten sich auf Calvin und sind in den Kämpfen des 16. Jahrhunderts gegen den Katholizismus erlegen.

In England gewannen die Puritaner, ebenfalls an Calvin orientiert, die Oberhand. Die Kriege und Glaubenskriege, die in England das 17. Jahrhundert durchzogen endeten 1688 mit der Glorious Revolution (Glorreiche Revolution), nach dem König Karl I. 1649 enthauptet worden war. Die Puritaner gewannen nur allmählich die Oberhand, sie wurden zunächst verfolgt. 1620 begaben sich einige von ihnen auf der „Mayflower“ in die Neue Welt, um dort frei von Unterdrückung ein neues Leben zu beginnen. Bis in die Gegenwart gilt dieses Ereignis als Identität stiftend für viele Amerikaner. Darin ist auch das ausgeprägte Sendungsbewusstsein in der amerikanischen Geschichte begründet. Das Ringen in England war nicht nur auf eine Reformation der Kirche und des christlichen Glaubens ausgerichtet, es wurden damit zugleich die Forderung nach Reformen und Umgestaltung des politischen Lebens in Staat und Gesellschaft verknüpft. Wir sehen uns in der Betrachtung der Kämpfe in England im 16. Jahrhundert einem Zusammenwirken von Theologie und Politik gegenüber. Das ist der große Unterschied zur Reformation Martin Luthers. In England gingen das Trachten nach Reformation dogmatisch- christlicher Grundsätze einher mit dem Trachten nach Umgestaltung des Staatsgefüges. Oliver Cromwell (1599- 1658), der die Ironsides (Eisenseiten), das Parlamentsheer, anführte, obsiegte in mehreren Schlachten gegen das absolutistische Königtum. Damit setzte in England eine Entwicklung ein, die im völligem Gegensatz stand zur Entwicklung auf dem Kontinent. Auf dem Kontinent gewannen absolutistische Herrschaftsformen die Oberhand, in England entstand das parlamentarische System, das nach 1688 zugleich zu einer konstitutionellen Monarchie führte. Oliver Cromwell übernahm 1653 als Lord Protector die oberste Gewalt. Das war eher eine Art Militärdiktatur. Nach seinem Tode kehrte England noch einmal zur Monarchie zurück. Die politischen Forderungen, die in den deutschen Bauernkriegen verwirklicht werden sollten, waren im Wesentlichen auch soziale Forderungen. die Bürgerkriege, die im 17. Jahrhundert die britischen Inseln durchzogen, zielten auf verfassungs- und staatsrechtliche Veränderungen. Das ist der  politische Unterschied zum deutschen Bauernkrieg.

Die Parlamentsherrschaft, die 1688 begann, mit der die Machtbefugnis der königlichen Gewalt starken Einschränkungen unterworfen wurde, war keine parlamentarische Demokratie nach heutigem Verständnis. Das Parlament war vielfach ein käuflicher Adelsclub, und das Wahlrecht war auf eine Minderheit privilegierter Gesellschaftsschichten beschränkt. Genau genommen war es ein Ständeparlament. Die Stände hatten sich gegenüber der Monarchie durchgesetzt und damit auch ihr Steuerbewilligungsrecht. Auf dem Kontinent war es der Monarchie gelungen, das Steuerbewilligungsrecht an sich zu reißen und die Stände auszuschalten. L’ ètat c’ est moi(der Staat bin ich) ist ein Zitat das dem französischen König Ludwig XIV. (1643-1715) zugeschrieben wird. Ob er es wirklich geäußert hat, ist strittig, aber das Zitat umschreibt zutreffend die Herrschaftsform des Absolutismus’.

Als in England das parlamentarische System errichtet wurde, war der Anfang gemacht, und dieses System hatte eine Vorbildfunktion für Staatsrechtstheoretiker der Französischen Revolution und für die Verfassung Vereinigten Staaten von Amerika nach der Unabhängigkeitserklärung 1776.

Im Vereinigten Königreich erfolgte die erste Wahlrechtsreform 1832, in der das Wahlrecht nach Besitzstand und Steueraufkommen ausgedehnt wurde. Eine weitere Wahlrechtsreform erlangte unter gleichem Vorzeichen 1867 Gesetzeskraft.

Das Wahlrecht zum Bundestag des Norddeutschen Bundes nach 1866 und zum Reichstag des Deutschen Kaiserreiches nach 1871 war umfassender. Beide Parlamente wurden nach dem freien, gleichen, direktem und geheimen Wahlrecht gewählt. Es war das fortschrittlichste Wahlrecht, das es damals in Europa gab. Es war auch fortschrittlicher als das amerikanische Wahlrecht. Kritik ist geübt worden an der mangelnden Kompetenz des Reichstages als Parlament, weil die Regierung nicht dem Parlament verantwortlich war, sondern dem Kaiser. Behauptungen, jedoch, der Reichstag sei nur ein Scheinparlament gewesen, sind nicht gerechtfertigt. Er besaß die wichtigen Funktionen des Rechtes der Gesetzgebung und des Budgetrechts. Eigentlich die wichtigste Funktion in einem Staat. Als in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts Bismarck als Reichskanzler dem Reichstag die Sozialversicherungsgesetzge-

bung zum Beschluss vorlegte, stieß das Gesetzesvorhaben auf einhellige Ablehnung. Kaiser Wilhelm I. richtete einen dringenden Appell an den Reichstag, dem Gesetzeswerk die Zustimmung nicht zu versagen. Es kam schließlich zu einem Kompromiss, der zu einem paritätischen Beitragssystem führte: Die Hälfte der Beiträge setzte sich aus dem Arbeitgeberanteil zusammen, die andere Hälfte aus dem Arbeitnehmeranteil. Bismarck hatte das anders gewollt: Ein Drittel Arbeitgeberanteil, ein Drittel Arbeitnehmeranteil und ein weiteres Drittel aus Steueraufkommen. Bismarck wollte auch das Recht auf Arbeit gesetzlich festschreiben, womit er aber nicht durchgekommen ist.

Deutschland war auch das erste Land, in dem nach dem allgemeinen, gleichen, freien und geheimen Wahlrecht ein Parlament gewählt wurde. Das war am 19. Januar 1919. In den USA erlangten Frauen in diesem Umfang das Wahlrecht erst am 16. August 1920 durch den 19. Zusatz zur amerikanischen Verfassung und in Großbritannien und Frankreich noch später.

Das nächste große revolutionäre Aufbegehren, das Europa in viel größerem Umfang erschütterte als die Bauernaufstände im Mittelalter, war die Französische Revolution 1789.

Da besteht zunächst ein großer Unterschied, denn sie war nicht spontan, unüberlegt und unkoordiniert aufgebaut worden, und sie gründete sich ausschließlich auf politische und gesellschaftspolitische Vorstellungen und Forderungen. Die Französische Revolution hatte geistige Väter, die den Boden bereitet hatten. Dafür können einige große Namen angeführt werden: Voltaire(1694-1778) Charles de Montesquieu(1689-1755) und Jean- Jacques Rousseau(1712-1778) Die geistigen Grundlagen bildeten die Voraussetzungen für die Durchsetzung ihrer Prinzipien in der Geschichte.

Absolutismus, Aristokratie und Feudalherrschaft waren mit dem Anspruch aufgetreten, für eine gottgewollte Ordnung zu stehen und hatten ihren Herrschaftsformen so einen christlichen Anstrich gegeben. Ein Aufbegehren gegen diese Ordnung wurde gleichgesetzt mit Feindschaft gegen christliche Werte und Ordnungen. Aber das System war morsch und unglaubwürdig geworden, so wurde es seinen Gegnern leicht gemacht, es zu widerlegen und seine Abschaffung zu fordern. Die Geistesströmung der Aufklärung wurde in dieser Entwicklung dominierend.

Die geistigen Väter der Französischen Revolution wollten keine Reformation im christlichen Sinne, sie wollten vor allen Dingen eine Reform des Aufbaus der Gesellschaft und eine Staatsverfassung.

In Preußen war unter der Herrschaft des Königs Friedrich II.(1712-1786) eine Justizreform in Angriff genommen worden. Der preußische König gilt als Vertreter des aufgeklärten Absolutismus’, der sich in dem Satz wieder findet: Je suis le premier serviteur de l’état (Ich bin des Staates erster Diener). Er es hatte es sich zur Pflicht gemacht, unter dem Einfluss französischer Aufklärungsliteratur das Gedankengut der Aufklärung in der praktischen Politik zu verwirklichen. Das „Preußische allgemeine Landrecht“, das aus diesen Bestrebungen hervorging, erlangte 1794 Gesetzeskraft. „Revolutionen haben in Preußen immer nur die Könige gemacht,“ sollte Otto Von Bismarck später sagen, oder anders: „Es ist besser wir machen die Revolution, als wenn wir sie erleiden.“

Als 1789 die Französische Revolution ausbrach, wurde sie von vielen Geistesgrößen der Zeit in Deutschland mit Begeisterung aufgenommen, der aber die Ernüchterung folgte, als Guillotine, Bürgerkriege und Schreckenherrschaften den Weg der Revolution markierten. Der Französischen Revolution bleibt dennoch ein historisches Verdienst erhalten. Sie gab den Anstoß zur Errichtung des demokratischen Verfassungsstaates, was ihre geistigen Urheber in Wahrheit auch gewollt hatten.

Den demokratischen Verfassungsstaat auf revolutionäre Gewalt zu gründen ist ein Widerspruch in sich, darum ist die Französische Revolution in ihren Anfängen auch gescheitert.

Der Revolutionäre Gewaltausbruch hätte vermieden werden können, wenn sich die herrschenden Klassen vernünftigen Einsichten nicht verschlossen hätten. Die Aufklärung gründete sich nicht auf christliche Ethik und Dogmatik. Die Aufklärung stützt sich auf Grundsätze der Vernunft, auf Grundsätze, die als vernünftig erkannt worden waren. Damit war zugleich die philosophisch- theologische Fragestellung in Gang gesetzt, ob göttliche Offenbarung auch auf dem Wege der Vernunft erfolgen könne.

Die nächste ganz große Revolution mit weltgeschichtlicher Bedeutung, das war die Oktoberrevolution 1917 im zaristischen Russland. Sie war mit ihren weltanschaulichen Grundkonzeptionen eine bewusste Abkehr vom Christentum. In dieser Weltsicht herrscht die Materie, geistige Errungenschaften haben hier ihren Ursprung und gehen aus ihr hervor. Damit konnte der Sinn des Lebens nur in einem kurzen Erdendasein seine Erfüllung finden.

Die Oktoberrevolution gründete sich auf Karl Marx und Friedrich Engels, dem Kommunistischen Manifest von 1848 und im Besonderen auf die Gesellschaftstheorien und die Wirtschaftslehre des Karl Marx. Beides ist in dem umfangreichen Werk „Das Kapital“ niedergelegt.

Die Oktoberrevolution endete in Terror und Terrorherrschaft, im Blutvergießen von Machtkämpfen und Bürgerkriegen. Das alles mündeten ein in eine siebzigjährige Diktatur, die viele Millionen Menschen auf Leidenswege führte, die mit ihren Schreckensbildern vielen noch gegenwärtig sind. Die Schaffung einer harmonischen klassenlosen Gesellschaft, wie sie Karl Marx in Visionen beschrieben hat, kann nicht auf Revolutionäre Gewalt begründet werden. Das ist ein Widerspruch in sich. Das Problem ist im Marxismus, wo es viele unterschiedliche Strömungen gab, auch erkannt worden, weshalb aus dem Marxismus heraus die Idee von der Permanenten Revolution verkündet wurde, die dann schließlich zu dem gewünschten Ziel führen sollte. Eine Permanente Revolution kann nicht erstrebenswert sein, das hatten wir in der Geschichte der Menschheit schon immer.

Die Oktoberrevolution von 1917 und das Kommunistische Manifest von 1848 hatten ihren Ursprung in der Unfähigkeit und dem mangelnden politischen Willen der herrschenden Klassen, auf Privilegien zu verzichten und den Weg frei zu machen für notwendige Reformen.

„Die etwas haben, die arbeiten nicht,“ hatte Otto von Bismarck(1815-1898) einmal gesagt.

Die sozialen Auswirkungen der industriellen Revolution wird nirgendwo so eindringlich dargestellt, wie in dem Gedicht von Heinrich Heine(1797-1956) über die schlesischen Weber.

Bismarck hat Heinrich Heine als den größten deutschen Lyriker nächst Goethe bezeichnet.

Der Nationalsozialismus, der in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhundert in Deutschland zur Macht gelangte, hatte sich ja auch als revolutionäre Bewegung vorgestellt. Das besonders Irrationale daran war die These, alles Unheil der Geschichte sei den Juden anzulasten.

Nicht nur daraus, aber auch daraus, ist die Behauptung hergeleitet worden, Martin Luther sei Wegbereiter des Nationalsozialismus’ gewesen. Luther Schriften gegen die Juden werden dazu hergezogen. Es ist unzulässig, Luthers Schriften mit der NS-Ideologie auf eine Stufe zu stellen, genauso, wie es unzulässig ist Richard Wagner als geistigen Vater Adolf Hitlers hinzustellen, weil er die Schrift verfasst hat: „Das Judentum in der Musik“. Auch Karl Marx hat sich in einer Schrift „Zur Judenfrage“ vernehmen lassen. Eine Schrift die gegen die Juden gerichtet ist. Karl Marx seine Aussagen sind nie einer kritischen Betrachtung unterzogen worden oder gar mit Gleichsetzungen wie bei Martin Luther und Richard Wagner. Das ist auffällig und beachtenswert. Nahum Goldmann hat einmal als Präsident des Jüdischen Weltkongresses in einem „Spiegel“ - Interview in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts geäußert. „Wir Juden sind stolz auf Karl Marx.“ Es werden also unterschiedliche Maßstäbe angelegt, wenn es darum geht Antisemitismus zu unterstellen. Alle die drei genannten hatten jedenfalls ganz andere Beweggründe als Hitler und sein Anhang, und sie hatten, jeder für sich, unterschiedliche politische oder religiöse Zielsetzungen, vor allem haben sie nicht die physische Vernichtung der Juden gefordert.

Die Juden haben seit ihrer Vertreibung durch die Römer aus dem Land, das als Ursprung und Identität für die Juden als Religion, als Volk und als Nation angesehen werden muss, einen langen Leidensweg zurückgelegt, und die Verfolgungen in nahezu zwei Jahrtausenden haben schließlich den zionistischen Gedanken und das damit verbundene Ziel, einen jüdischen Staat zu begründen, hervorgebracht.

Antisemitismus war in der Geschichte auch nicht ausschließlich auf Deutschland beschränkt, es hat ihn in vielen Ländern Europas gegeben. Die Juden waren Verfolgungen ausgesetzt, die entweder religiös, politisch oder wirtschaftlich begründet wurden. Religiöse Beweggründe waren oft nur ein Vorwand. Besonders im Mittelalter waren Verfolgungen und Pogrome damit begründet, die Juden hätten Jesus Christus umgebracht. Wer als Christ seinen Glauben auf solche Anklagen begründet, hat ein falsches Verständnis vom christlichen Glauben und hat auch die Mission, die Jesus Christus zu erfüllen hatte und auch erfüllt hat, nicht verstanden.

Karl Marx hat in seiner Schrift „Zur Judenfrage“ den wirtschaftlichen Einfluss, den Juden in der Geschichte ausgeübt haben, angesprochen. Die politische Macht für den Zeitraum, der darin zur Darstellung kommt, war ausschließlich in christlichen oder nichtjüdischen Händen.

Die Juden waren dem wehrlos ausgeliefert. Viele Herrscherpersönlichkeiten in der europäischen Geschichte hatten jüdische Bankiers als Geldgeber, um sich so eine zusätzliche Einnahmequelle zu verschaffen. Die damit verbundenen finanziellen Lasten wurden auf breite Bevölkerungsschichten abgewälzt, und wenn der Volkszorn sich deshalb gegen die Juden wandte, dann konnte das auch nur mit Billigung der christlichen und nichtjüdischen Obrigkeiten geschehen. Ein Aufbegehren gegen christliche Obrigkeiten oder was dafür gehalten wurde, war mit einem weitaus größeren Risiko verbunden, wie die Ereignisse um die Bauernkriege zur Zeit der Reformation Martin Luthers zeigen.

Es gibt keine zwei Religionen, die so eng miteinander verknüpft sind wie Judentum und Christentum. Ohne die Geschichte Israels in der Antike als Grundlage, ist der christliche Glaube nicht vorstellbar und auch nicht darstellbar. Alle Autoren des hebräischen und des christlichen Kanons der Bibel sind Juden mit einer Ausnahme: Der Evangelist Lukas, der das Lukas- Evangelium und die Apostelgeschichte verfasst hat. Oft ist auch ein Gegensatz zwischen hebräischen und christlichen Kanon hergestellt worden. Der hebräische Kanon sei das Buch der Rache und der christliche Kanon das Buch der Nächstenliebe und Vergebung. Das ist eine grobe Vereinfachung und irreführend. Im hebräischen Kanon in Leviticus Kapitel 19 steht genau das, was in der Bergpredigt des christlichen Kanons auch steht. In Leviticus Kapitel 24 stehen dann allerdings die Worte: Auge um Auge, und Zahn um Zahn.

Themen

NavPrev19NavHome A25NavNext20

Verantwortlich für den Inhalt der Seiten,Copyright © 2003-2005: Heinz Drews