Lutherrose
Pidder Lüng

Detlev von Liliencron(1844-1909)

Pidder Lüng

„Frii es de Feskfang, (Frei ist der Fischfang)

Frii es de Jaght, (Frei ist die Jagd)

Frii es de Strönthgang, ( Frei ist der Strandgang)

Frii es de Naght, (Frei ist die Nacht)

Frii es de See, de wilde See, (Frei ist die See, die wilde See)

En de Hörnemmer Rhee.“ ( In der Hörnumer Reihe)

 

Der Amtmann von Tondern, Henning Pogwisch,

Schlägt mit der Faust auf den Eichentisch:

Heut fahr ich selbst hinüber nach Sylt

Und hol mir mit eigener Hand Zins und Gült.

Und kann ich die Abgaben der Fischer nicht fassen,

Sollen sie Ohren und Nase lassen,

Ich höhn ihrem Wort:

Lewwer duad üs Sklaav.

(Lieber Tod als Sklave)

 

Im Schiff vorn der Ritter, panzerbewehrt,

Stützt sich finster auf sein langes Schwert.

Hinter ihm, von der hohen Geistlichkeit,

Steht Jürgen der Priester, beflissen, bereit.

Er reibt sich die Hände, er bückt den Nacken.

Der Obrigkeit helf ich, die Frevler packen;

In den Pfuhl das Wort:

Lewwer duad üs Slaav.

 

Gen Hörnum hat die Prunkbarke den Schnabel gewetzt,

Ihr folgen die Ewer, kriegsvolkbesetzt.

Und es knirschen die Kiele auf den Sand,

Und der Ritter, der Priester springen an Land,

Und waffenrasselnd hinter den beiden

Entreißen die Söldner die Klingen den Scheiden

Nun gilt es, Friesen:

Lewwer duad üs Slaav!

 

Die Knechte umzingeln das erste Haus,

Pidder Lüng schaut verwundert zum Fenster heraus.

Der Ritter, der Priester treten allein

Über die ärmliche Schwelle hinein.

Des langen Peters starkzählige Sippe

Sitzt grad an der kargen Mittagskrippe.

Jetzt zeige dich, Pidder:

Lewwer duad üs Slaav!

 

Der Ritter verneigt sich mit hämischen Hohn,

Der Priester will anheben seinen Sermon.

Der Ritter nimmt spöttisch den Helm vom Haupt

Und verbeugt sich noch einmal: Ihr erlaubt,

Dass wir euch stören bei eurem Essen,

Bringt hurtig den Zehnten, den ihr vergessen,

Und euer Spruch ist ein Dreck:

Lewwer duad üs Slaav.

 

Da reckt sich Pidder, steht wie ein Baum:

Henning Pogwisch halt Deine Reden im Zaum.

Wir waren der Steuern von je her frei,

Und ob du sie wünschst, ist uns einerlei.

Zieh ab mit deinen Hungergesellen,

Hörst du meine Hunde bellen?

Und das Wort bleibt stehen:

Lewwer duad üs Slaav!

 

Bettelpack fährt ihn der Amtmann an,

Und die Stirnader schwillt dem geschienten Mann:

Du frisst deinen Grünkohl nicht eher auf,

Als bis dein Geld hier liegt zu Hauf.

Der Priester zischelt von Trotzkopf und Bücken

Und verkriecht sich hinter des Eisernen Rücken.

O Wort, geh nicht unter:

Lewwer duad üs Slaav!

 

Pidder Lüng starrt wie wirrsinnig den Amtmann an.

Immer heftiger in Wut gerät der Tyrann,

Und er speit in den dampfenden Kohl hinein:

Nun geh an Deinen Trog, du Schwein.

Und er will, um die peinliche Stunde zu enden,

Zu seinen Leuten nach draußen sich wenden.

Dumpf dröhnt es drinnen:

Lewwer duad üs Slaav!

 

Einen einzigen Sprung hat Pidder getan,

Er schleppt an den Napf den Amtmann heran

Und tauch ihm den Kopf ein und lässt ihn nicht frei,

Bis der Ritter erstickt ist im glühheißen Brei.

Die Fäuste dann lassend vom furchtbaren Gittern,

Brüllt er, dass Türen und Wände zittern,

Das stolzeste Wort:

Lewwer duad üs Slaav!

 

Der Priester liegt ohnmächtig ihm am Fuß;

Die Häscher stürmen mit höllischem Gruß,

Durchbohren den Fischer und zerren ihn fort,

In den Dünen, im Dorf rasen Messer und Mord.

Pidder Lüng doch, ehe sie ganz ihn verderben,

Ruft noch einmal im Leben, im Sterben

Sein Herrenwort:

Lewwer duad üs Slaav!

Detlev von Liliencron(1844-1909)

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