Lutherrose
 
Russische Botschaft
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Heinz Drews                                                                         Hamburg, den 12. Dezember 2006

Sierichstraße 106

22299 Hamburg

 

 

Seine Exzellenz Wladimir Kotenev

Botschafter der Russischen Föderation

Botschaft der Russischen Föderation

Unter den Linden 63-65

10117 Berlin

 

Exzellenz!

Vorgestern Abend haben Sie sich an einer Gesprächsrunde mit Frau Sabine Christiansen im deutschen ARD- Fernsehen beteiligt. Ihr Auftreten und Ihre Argumente haben mich überzeugt.

Seit Dezember 1987 habe ich mich mit zahlreichen Stellungnahmen zunächst an die Botschaft der Sowjet Union in Bonn und an das Generalkonsulat der Sowjet Union in Hamburg gewandt, später dann in der Hauptsache an die Botschaft der Föderativen Russischen Republik in Bonn und Berlin. Meinen Eingaben waren mehrfach umfangreiche Informationen beigefügt. Eine Antwort habe ich nie erhalten. Über dieses Verhalten bin ich enttäuscht. Zu dieser Ablehnung und Missachtung habe ich keine Veranlassung gegeben; das ließe sich in einem öffentlich wirksamen Dialog sehr leicht nachweisen.

Ermutigt, durch Ihr Auftreten im deutschen Fernsehen am vergangenen Sonntag, wende ich mich daher mit diesem Schreiben persönlich an Sie.

Bevor ich weitere Ausführungen mache, erlaube ich mir den Hinweis auf ein Schreiben an die Botschaft der Republik Polen vom 20. November 2006. Das Schreiben ist mit Datum vom 29. November 2006 von dem Gesandten-Botschaftsrat der Polnischen Botschaft, Herrn Wojciech Pomianowski, beantwortet worden. Beide Schreiben habe ich zu Ihrer Information mit der Bitte um Kenntnisnahme des Inhalts als Ablichtungen beigefügt.

In kurzer Zusammenfassung möchte ich im Nachfolgenden einige der Themen aufgreifen, mit denen ich mich in Vergangenheit mehrfach, besonders an die Botschaft der Föderativen Russischen Republik gewandt habe. Mir geht es darum, eine Politik der Konfrontation zu verhindern. Dazu darf es nicht kommen weder von Westen nach Osten noch von Osten nach Westen.

Es gilt eine Politik der Verständigung und Zusammenarbeit dagegen zu setzen. Die Widersacher einer solchen Politik haben den Durchbruch zu einer solchen Politik bisher verhindert. Von Deutschland aus gesehen habe ich mich immer für eine Politik eingesetzt, die zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit in Richtung Osten führt genauso, wie sie in Richtung Westen von Deutschland betrieben worden ist. Es gibt aber im Westen ein Blockdenken, das gegen eine solche Politik gerichtet ist. Es sind politische Kräfte, die auf der Suche sind nach einem neuen Feindbild, nach einem Feindbild, das mit der Auflösung der Sowjet- Union abhanden gekommen ist. Russland und Deutschland sind in diesem Mächtekalkül besondere Rollen zugedacht. Der über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannte Publizist, Peter Scholl-Latour, hat gerade ein Buch veröffentlicht, in dem eine gegen Russland betriebene Einkreisungspolitik beschrieben wird. Es geht den Mächten des Westens nicht darum, in Russland und anderswo eine Demokratie zu etablieren. In der Fernseh- Gesprächsrunde am vergangenen Sonntag ist Georgien als Beispiel dazu genannt worden. Ziel westlicher Politik gegen Russland ist es, die reichen Rohstoffquellen unter seine Kontrolle zu bringen. Es ging dem Westen auch nicht darum in Deutschland eine Demokratie zu errichten, sonst hätten sie die Weimarer Republik nicht zerstört und Hitler im Gegenzug so großzügig bedient. Gegenwärtig ist auch Deutschland von einer Einkreisungspolitik des Westen betroffen, genau wie Russland. Der Kalte Krieg wird ersetzt durch einen Wirtschaftskrieg, der mit unlauteren Mitteln betrieben wird. In Russland hat diese Politik dazu geführt, dass sich nach dem Zusammenbruch der Sowjet-Union einige Individuen zweistellige Milliardensummen angeeignet haben, während breite Bevölkerungsschichten wochen- und monatelang auf ihren Lohn warten mussten. Wer an diesem System Kritik übt, der wird dann auch noch als Feind der Demokratie und der freien Marktwirtschaft gebrandmarkt.

Auch gegen Deutschland wird ein Wirtschaftskrieg und eine Einkreisungspolitik geführt. Als der deutsche Traditionskonzern, Mannesmann, durch eine „feindliche Übernahme" des britischen Konzerns Vodafone aufgelöst wurde, schrieb ein maßgebliches deutsches Presseorgan, die Frankfurter Allgemeine, das stünde auch anderen deutschen Groß- und Traditionskonzernen bevor. Gegenwärtig wird in aller Offenheit in der Presse der geplante „Aufkauf" deutscher Konzerne diskutiert. Die Deutsche Post soll zerschlagen werden, „Investoren" versprechen sich davon einen „Gewinn" von 25 Milliarden Euro. Diese Leute sind nicht kleinlich. Trotz bestehenden Eu- Rechts werden deutsche Konzerne nicht in andere Eu- Länder gelassen. In diesem System ist freier Wettbewerb und freie Marktwirtschaft, die zu sozialem Fortschritt gelangt, überhaupt nicht möglich. Die Wirtschaft ist der Diktatur und der Manipulation des großen Geldes unterworfen.

Der Westen beklagt oft die mangelnde Pressefreiheit in Russland. Auch im Westen gibt es keine Pressefreiheit. Die Presse ist hier milliardenschweren Konzernen und Individuen unterworfen. Selbst kleine Regionalblätter fügen sich diesem System.

Täglich veröffentlicht die westliche Presse in großer Aufmachung „Enthüllungen" über Morde, die vom russischen Geheimdienst FSB innerhalb und außerhalb Russlands begangen worden sein sollen. Einwandfrei geklärt worden ist das bisher nicht, und wird es auch wohl nie. Auch westliche Geheimdienste morden und foltern, aber das wird von einer „freien" Presse unter der Decke gehalten.

Der deutsche VW- Konzern plant die Errichtung eines Werkes in Russland. Warum erst jetzt? Eine solche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland hätte längst geschehen können und müssen, aber besser spät als nie. Ob sich dieses Vorhaben verwirklichen lässt, kann nicht als sicher gelten, denn in Brüssel wird die „Zerlegung" des VW- Konzerns durch entsprechende EU- Gesetzesinitiativen sorgfältig vorbereitet.

2, 7 Millionen Russlanddeutsche leben in der Bundesrepublik Deutschland. Warum werden diese Kapazitäten nicht genutzt zu einer intensiveren Zusammenarbeit auf kulturellem, wirtschaftlichem und politischem Gebiet?

In der Gesprächsrunde am vergangenen Sonntag ist geäußert worden, Russland sei auf Deutschland angewiesen, das stimmt bis zu einem gewissen Grade. Umgekehrt ist auch Deutschland auf Russland angewiesen, denn beide Völker sind in gleicher Weise und in gleichem Umfang bedroht.

Neben einem wirtschaftlichen Gesichtspunkt gibt es einen kulturellen Gesichtspunkt. Ich habe mich gegen kulturelle westliche Einflüsse in Deutschland gewandt, weil sie Deutschlands kulturelle Eigenständigkeit untergraben und Deutschland nachweislich in einen Abgrund ziehen.

Meine Kritik hat zu Versuchen geführt, über meine Person ein „psychiatrisches Gutachten" zu erstellen wegen „Lebensfremdheit". Aber das war noch das harmloseste. Russland ist ebenso verderblichen Einflüssen unterworfen, und seine großartige, große Kultur- und Geistesgeschichte läuft Gefahr in Vergessenheit zu geraten.

Enttäuschend waren für mich Berichte im Deutschen Fernsehen über Aufmärsche faschistischer Gruppen in Moskau und St. Petersburg mit Hitler-Gruß und entsprechenden Symbolen. Es ist für mich rational nicht zu erfassen, wie so etwas möglich ist.

Vor einigen Monaten berichtete das Nachrichten-Magazin „Der Spiegel", es hätten 15000 Menschen aus der Föderativen Russischen Republik Zuflucht und Asyl in den USA gesucht und gefunden, weil sie aus rassistischen Gründen verfolgt worden seien. Dieser Geist, der auch eine indirekte Unterstützung von Neonazi- Gruppierungen in Deutschland bedeutet, darf sich nicht ausbreiten. Er wird Russland in einen Abgrund ziehen, in einen Abgrund ohne Wiederkehr. Das gilt ebenso auch für Deutschland.

Das ist nicht die geistigen Linie, für die Fjodor Dostojewski, Leo Tolstoi oder Alexander Puschkin stehen, um nur einige Namen zu nennen, die für eine reiche und vielfältigen Kultur- und Geistesgeschichte stehen.

Die Russische Geschichte ist eine Geschichte der Wechselbeziehungen mit zahlreichen unterschiedlichen Völkern und Nationalitäten. Das sollte im Sinne guten Zusammenlebens und guter Zusammenarbeit bewahrt werden.

In 2004 hat Russland auf deutsche Anfrage die Herausgabe von Dokumenten über Walther Rathenau verweigert mit der Begründung, Deutschland sei ein „ehemaliger Feindstaat" gewesen. Das ist bedauernswert, denn Russland hat hier nichts zu verbergen, davon bin ich überzeugt.

Im Verlaufe meines Geschichtsstudiums an der Universität Hamburg habe ich eine Reihe von Vorlesungen und Seminaren zur Russischen Geschichte besucht. Gegenwärtig arbeite ich an einer Seminararbeit über den russischen Organisator, Diplomaten und Staatsmann, Graf Sergej Witte. Es ist meine Absicht, nach Abschluss meines Studiums, über eine Arbeit zur russischen Kirchengeschichte zu promovieren. Ob sich das verwirklichen lässt, ist nicht sicher, denn mein Studium war ständig von Gerichtsverfahren begleitet, um Angriffe abzuwehren, die gegen meine Person geführt worden sind.

In der Vergangenheit hat an der Universität Hamburg die Absicht bestanden, dem Präsidenten der Föderativen Russischen Republik, Herrn Wladimir Putin, die Ehrendoktorwürde anzutragen. Ich habe es bedauert, weil es dazu nicht gekommen ist.

Mit freundliche Grüßen

Heinz Drews34

 

Dieses Schreiben wurde der Amerikanischen Botschaft als Kopie übermittelt.

 

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