Lutherrose
Anfänge des Parteienwesens u. die Gesamtentwicklung

Heinz Drews, Juli 2003

Anfänge des Parteienwesens und die Gesamtentwicklung          

König Wilhelm IIIKönig Friedrich Wilhelm III. (1797-1840) von Preußen hatte vor und nach den Befreiungskriegen 1814/15 eine Verfassung mit einer zu wählenden Volksvertretung versprochen. Nach Ende der napoleonischen Herrschaft folgte die Zeit der Restauration mit dem Bestreben, die Zustände, wie sie vor der Französischen Revolution in Europa geherrscht hatten, so weit es ging wiederherzustellen und zu konservieren. Unterdrückungsmaßnahmen und Repressalien führten zu Spannungen, und das Verfassungsversprechen geriet in Vergessenheit.

1840 gelangte Friedrich Wilhelm IV. auf den Königsthron. Er ließ sich Zeit mit der Ausarbeitung einer Verfassung, weil er dem Gedanken, eine Verfassung zu gewähren, ablehnend gegenüberstand. Sieben Jahre vom Zeitpunkt seines Herrschaftsantrittes an wurden Verfassungspläne beraten und ausgearbeitet.

Zwar hatte es schon verfassungsrechtliche Ansätze gegeben durch die Reformen des Freiherrn

von Stein, die zur kommunalen Selbstverwaltung geführt hatten, die aber über diesen Bereich nicht hinausgekommen waren.

1847 versammelte Friedrich Wilhelm IV. die Provinziallandtage um sich, den „Vereinigten Landtag“. Der König erklärte den Versammelten, damit sei das Versprechen seines Vaters eingelöst. Eine geschriebene Verfassung hatte er mit dem Hinweis auf England verweigert. So war alles in einem rechtlichen Schwebezustand gehalten. Er hatte auch seine Absicht kundgetan, den Landtag nur sporadisch bei Bedarf einzuberufen, und das er an herkömmlichen Grundsätzen, in denen der Monarch als der von Gott begnadete Herrscher angesehen werde, festzuhalten gedächte.

Der Vereinigte Landtag setzte sich zusammen aus Adeligen, Bürgern, Bauern und Standesherrn, wobei die Vertreter des Adels zahlenmäßig dominierten. Die Mehrheit des Landtages missbilligte die Thronrede und wollte das Recht auf regelmäßige Einberufung des Landtages durchsetzen, was dann auch bald zum ersten Konflikt führte. Der Landtag sollte den Bau einer Bahnlinie nach Ostpreußen bewilligen, und die nötigen Mittel bereitstellen. Er machte die Zustimmung abhängig von dem Versprechen einer regelmäßigen Einberufung des Landtages. Der König lehnte ab, der Landtag wurde aufgelöst, und der bereits begonnene Bau der Ostbahn eingestellt.

Im Revolutionsjahr 1848 nach den bürgerkriegsähnlichen Zusammenstößen in Berlin versprach der König erneut eine Volksvertretung, Pressefreiheit und sich für ein Bundesparlament einzusetzen. Im Verlauf des Jahres 1848 wurde eine Nationalversammlung gewählt, auf der Grundlage einer aufoktroyierten Verfassung, der eine Regierungsbildung mit

Ministerien folgte. Im August 1849 wurde das Dreiklassenwahlrecht eingeführt, das bis 1918 bestand hatte.

In den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts gab es in Preußen drei politische Gruppen: Die Liberalen, die Demokraten und die Konservativen.

Die politischen Theorien der Liberalen wurzelten in der Aufklärung, dem Rationalismus des 18. Jahrhunderts. Tradition, Dogmatismus und absolutistisch- autoritäre Herrschaftsformen sollten fallen und eine freiheitliche Ordnung an seine Stelle treten. Um die Umformung der Gesellschaft in diesem Sinne durchzuführen, waren Verfassung und Parlamentsherrschaft gefordert, das eigentliche Anliegen der Französischen Revolution. Die angestrebten Freiheiten waren aber auch zugleich eingeschränkt und sollten sich im wesentlichen auf das Besitz- und Bildungsbürgertum beschränken, verbunden mit Bildungsoptimismus und Fortschrittsglauben. Das entsprechende Wahlrecht sollte darum auch nur mit Einschränkungen gewährt werden. Der elitäre Element dieser politischen Zielsetzung war deutlich erkennbar.

Die Demokraten wurden auch als der linke Flügel der Liberalen angesehen. Das Volk sollte nach dem Willen der Mehrheit regiert werden, war das Kernstück ihrer Lehre. Mehrheit und Vernunft waren identisch. Gleichheit hatte Priorität vor dem Freiheitsbegriff. Wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Gleichheit waren das erstrebenswerte Ziel. Kontrollmechanismen sollten die politische Entwicklung dem gemäß sicherstellen.

Diesen beiden Strömungen des Liberalismus’ stellte sich die Mehrzahl der adeligen Grundbesitzer entgegen. Sie besaßen ständische Privilegien, die sie zu verteidigen gedachten.

Auf ihrem Grund und Boden übten sie Herrschaftsrechte aus als Verwaltungsbeamte und Richter. Der Adel wurde bevorzugt bei der Besetzung von Staats- und Militärstellen. Pflichten gegenüber den Bauern und anderen untergebenen waren sie bereit zu übernehmen und Opfer zu bringen, aber auf der Grundlage einer religiösen Bindung, nicht auf der Grundlage einer staatlichen Gesetzgebung, die sie als Bevormundung ansahen.

Diese Strömungen führten dann entwicklungsbedingt zu einer Parteien- und in Zusammenhang damit zu einer Fraktionsbildung in den Parlamenten.

Höhepunkte parlamentarischer Entwicklung und Konflikte waren die Bildung der Frankfurter Nationalversammlung, die nach einem gleichen, freien und geheimen Wahlrecht gewählt wurde, allerdings mit einem Wahlrecht, das auf Selbstständige beschränkt war. Mit der Ablehnung der Kaiserkrone, die dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. 1849 von der Frankfurter Nationalversammlung angetragen wurde, war das Experiment die Deutsche Einheit auf diesem Wege „von unten“ herbeizuführen gescheitert.

Ein weiterer Versuch die Norddeutschen Staaten 1850 unter Preußens Führung über das Erfurter Unionsparlament zu einen, scheiterte am Widerstand Österreichs und letztlich auch Russlands.

Das System des Wiener Kongresses sollte erhalten bleiben.

Im Zuge der Parteienbildung in der beschriebenen Form wurden nicht nur gesellschaftspolitische Veränderungen angestrebt, sondern auch insgeheim die Einheit Deutschlands. Im Bestreben die Einheit Deutschlands zu verwirklichen gerieten Preußen und Österreich als die zwei Großmächte des Deutschen Bundes häufig aneinander zunächst auf diplomatischer Ebene. 1863 brachte Bismarck eine Reform des Deutschen Bundes in Vorschlag. Darin sollte ein Bundesparlament gewählt werden nach dem freien, gleichen und geheimen Wahlrecht. In England, Frankreich und Russland löste dieser Vorstoß Entrüstung aus, verbunden sogar mit Drohungen.

Die nächste große Bewährungsprobe für den Parlamentarismus auf deutschem Boden bildete die Konfliktszeit in Preußen von 1862 bis 1866, in der Bismarck als von König Wilhelm I. berufener preußischer Ministerpräsident gegen den preußischen Landtag und damit gegen die Verfassung regiert hatte, weil der preußische Landtag der von König Wilhelm angestrebten Heeresreform die Zustimmung versagte. Nach dem erfolgreichen Krieg 1866 gegen Österreich stellte Bismarck gegen den anfänglichen Widerstand seines Königs gegenüber dem preußischen Landtag den Antrag auf Indemnität,(Straffreiheit)die auch gewährt wurde.

Im Reichstag der Kaiserzeit kamen neben den bereits beschriebenen Strömungen das Zentrum, die Partei des politischen Katholizismus, und die Sozialdemokratie hinzu. Beide Parteien gerieten mit Bismarck in eine Auseinandersetzung, die im Kulturkampf und in der Sozialistengesetzgebung ihren Ausdruck fanden. Bismarck unterschied ohnehin nicht nach Parteizugehörigkeit, sondern teilte den Reichstag ein in Reichsfeinde und Reichsfreunde. In der Einstellung zum Reich ging allerdings ein Riss durch alle Parteien. Bei den Liberalen führte er zur Spaltung in Nationalliberale und Linksliberale.

Die Weimarer Republik übernahm vieles von den parteipolitischen Strömungen der Kaiserzeit. Die SPD war 1912 zur stärksten Fraktion im Reichstag geworden, was dazu führte, dass der letzte Reichskanzler, Prinz Max von Baden, dem SPD- Vorsitzenden Friedrich Ebert am Ende des Ersten Weltkrieges das Amt des Reichkanzlers antrug.

Das Zentrum erlangte auch in der Weimarer Republik eine neue Bedeutung. Die DVP nahm Nationalliberale mit gemäßigter Einstellung in ihren Reihen auf, während DDP Zuflucht bildete für die Linksliberalen.

Ein völlig neues Element bildeten die KPD und später die NSDAP.

Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb nur noch die SPD erhalten, die als einzigste Partei im Kampf gegen den Nationalsozialismus standhaft geblieben war. CDU und FDP waren Neugründungen, wobei die FDP sich auch als Fortsetzung des Liberalismus’ betrachtete.

Der CDU gelang es unter Führung des Zentrumspolitikers und Kölner Oberbürgermeisters der Weimarer Zeit, Konrad Adenauer, eine Führungsrolle in der Nachkriegzeit zu übernehmen. Die CDU war eine Neugründung, mit der sich eine Wandlung vollzog von einer rein katholischen Partei, wie sie die Zentrumspartei gewesen war, zu einer überkonfessionellen Partei. Gegen die CDU wurde der Vorwurf erhoben, sie habe ehemaliges rechtes Parteiengut der DNVP und der NSDAP in sich aufgenommen. Was Ende der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zu gesellschaftlichen Erschütterungen und zu einem Umbruch geführt hat.

Das politische Aufbegehren, das 1968 in Gewaltausbrüchen seinen Höhepunkt erlangte, hat der nach dem Zweiten Weltkrieg aufstrebenden Bundesrepublik mehr geschadet als genützt.

Berechtigte politische Anliegen wurden mit einem Radikalismus vertreten, der eine nutzbringende politische Alternative unmöglich machte.

Restauration

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