Heinz Drews
Hamburg, den 24. Mai 2007
Sierichstraße 106
22299 Hamburg
Herrn
Michael Müller
Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium
Alexanderstraße 3
10178 Berlin
Sehr geehrter Herr Müller!
Am 18. April 2007 haben Sie an der Podiumsdiskussion im
Kurt-Schuhmacherhaus in Hamburg zum Thema: „Politik gegen die
Klimakatastrophe" als Redner teilgenommen.
In der anschließenden Diskussion zu den Vorträgen habe
ich an Sie zwei Fragen gerichtet, denen Sie ausgewichen sind oder die Sie
unbeantwortet gelassen haben.
Am 11. Januar 2007 habe ich zum Thema Atomausstieg ein e
Mail-Schreiben an das Bundesumweltministerium gesandt, das ich als
Ablichtung beigefügt habe.
Zu meiner am 18. April 2007 an Sie gestellten Frage, wo
andere Mächte, die auf Atomtechnologie gesetzt haben, mit ihrem Atommüll
verbleiben, haben Sie nicht geantwortet.
Der Atomausstieg Deutschlands ist oft von ihren
Befürwortern damit begründet worden, das gute Beispiel werde andere
Atommächte bewegen, dem guten Beispiel zu folgen. Das hat sich als sehr naiv
herausgestellt. Diese so von mir angesprochene Thematik haben Sie sorgfältig
in Ihrer Antwort umgangen. Deutschland hatte in der Atomtechnologie eine
Spitzenstellung inne Mit dem Ausstieg aus der Atomtechnologie sind deutsche
Atomwissenschaftler in alle Welt ausgewandert, um in anderen Ländern, die
dazu einen besonderen Bedarf haben, weiter zu arbeiten. Dazu passt
beispielhaft eine Entwicklung in anderen Bereichen. Flachbildschirm,
Hybridmotor oder MP 3 Player sind deutsche Erfindungen. Das
Milliardengeschäft machen andere, so ist dazu aus den Wirtschaftsabteilungen
der Medien zu vernehmen. In Ihrer Antwort haben Sie auf das
Sicherheitsrisiko hingewiesen, das mit der Atomtechnologie in Zusammenhang
gebracht wird, und haben ein Beispiel gebracht. Das Atomkraftwerk Biblis sei
vom Frankfurter Flughafen nur vier Minuten entfernt, so Ihre Bemerkung dazu.
Ein solches Risiko besteht für jedes andere Atomkraftwerk in der Welt auch.
Kurt Beck hat unlängst ausgeführt, das schwedische Atomkraft Forsmark wäre
sechs Minuten von einem GAU entfernt gewesen. Glaubt wirklich irgend jemand,
wenn es zu einem Unfall gekommen wäre, der radioaktive Austritt hätte an der
schwedischen Ostseeküste halt gemacht, weil Deutschland aus der Atomkraft
ausgestiegen ist?
Die angesprochenen Gefahren bleiben bestehen, unabhängig
davon, ob Deutschland aus der Atomtechnologie aussteigt oder nicht. Das ist
Ihnen auch bewusst; etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen.
Auf dem letzten G 8- Gipfel in St. Petersburg ist die
Förderung der Atomtechnologie empfohlen worden. Den gleichen Standpunkt hat
auch die EU in Brüssel eingenommen. Darauf habe ich Sie am 18. April 2007 in
besagter Podiumsdiskussion angesprochen. Sie haben meiner Darstellung,
allerdings wenig überzeugend, widersprochen. Kürzlich hat die EU in Brüssel
ihren Standpunkt zur Nutzung der Atomtechnologie als Energielieferant noch
einmal bekräftigt, und ausdrücklich die Bundesrepublik Deutschland genannt.
In Deutschland sind mehr als zwanzig Kohlekraftwerke
geplant, in einigen Medienberichten ist sogar von mehr als vierzig
Kohlekraftwerken die Rede. Die Steinkohlezechen sollen in absehbarer Zeit
still gelegt werden. Die geplanten Kohlekraftwerke sollen mit Braunkohle
befeuert werden, dem dreckigsten Energielieferanten, der zur Verfügung
steht. Darauf hat die Eu in Brüssel Deutschland noch einmal ausdrücklich
hingewiesen.
Alles zusammengenommen ist die Argumentation der
Ausstiegsbefürworter unaufrichtig und unglaubwürdig, sie ist irreführend und
zeugt von wenig Verantwortungsbewusstsein. Der Verdacht ist nicht abwegig,
dass die wahren Gründe der Ausstiegsbefürworter einen ideologischen
Hintergrund haben.
In der Diskussionsrunde am 18. April 2007 haben Sie sich
als Anhänger von Alexander Mitscherlich, mit seinem Werk: „Die Unfähigkeit
zu trauern", zu erkennen gegeben.
Dazu füge ich einen Schriftwechsel als Ablichtung bei,
der geführt worden ist mit dem VORWÄRTS aufgrund meiner Stellungnahme vom 8.
Oktober 2006 an die Parteizeitung.
Mein Beitrag vom 8. Oktober 2006 ist in der
Novemberausgabe des VORWÄRTS veröffentlicht worden. Das war das erste Mal im
Verlauf von zwanzig Jahren, dass ein deutsches Presseorgan eine von mir
vertretene Tendenz veröffentlicht hat. Der Beitrag ist als Ablichtung
beigefügt.
Die Bundeskanzlerin hat bei einem jüngsten Besuch in
Polen bekräftigt, die Geschichte werden nicht „umgeschrieben". Diesen
Standpunkt hat auch der Bundespräsident in einer Rede vor dem Bundesverband
der Vertrieben eingenommen. Ebenso hat sich auch der Präsident der
Russischen Föderation, Herr Wladimir Putin, auf der Feier in Moskau am 9.
Mai 2007 zur zweiundsechzigjährigen Wiederkehr der deutschen Kapitulation
geäußert.
Hitlers Machtaufstieg in Deutschland ist von
internationaler Ebene nicht nur geduldet, sondern in großem Umfang gefördert
worden.
Wo war die internationale sozialdemokratische
Solidarität, als es bereits zu Massenverhaftungen im gesamten Deutschen
Reich im Vorfeld zu den Reichstageswahlen am 5. März 1933 unter den
Mitgliedern der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands gekommen war?
Otto Wels war der einzige Reichstagsabgeordnete, der
Hitler am 23. März 1933 in der Abstimmung zum Ermächtigungsgesetz
entgegengetreten ist. Er stand alleine da, innerhalb und außerhalb
Deutschlands. Das gilt auch für die SPD als ganzes zu dem Zeitpunkt. Der
gesamte deutsche Widerstand gegen Hitler ist außerhalb Deutschlands ganz
einfach ignoriert worden, das gilt besonders auch für den Widerstand der
Bekennenden Kirche. Auch dem christlichen Widerstand ist jegliche
Solidarität verweigert worden.
Im Gegenzug ist Hitler mit ungewöhnlicher Großzügigkeit
alles das gewährt worden, was dem demokratischen Staat der Weimarer Republik
verweigert worden war. Kein demokratisch orientierter Politiker hätte auch
nur zu denken gewagt, was Hitler gefordert und auch bekommen hat. Innerhalb
kurzer Zeit hat Hitler alle drückenden Bestimmungen des Versailler
Friedensdiktates annulliert. Kritikern der NS-Herrschaft, die noch nicht
ganz verstummt waren, wurde dann auch hämisch bedeutet, ob sie zurückehren
wollten zu den Bedingungen des Versailler Vertragswerkes.
Lloyd George, der britische Durchhalte- Premierminister
während des Ersten Weltkrieges, war des Lobes voll über die Entwicklung, die
Deutschland genommen hatte, als 1936 Deutschland besuchte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte das alles nicht mehr
gelten. Es geht nicht darum rechthaberisch einen Standpunkt durchzusetzen,
es geht darum, den Weg frei zu machen zur Ausbreitung versöhnlichen Geistes.
Das sollte nicht verwehrt werden.
Kurt Schuhmacher hat mit schweren Kriegsverletzungen aus
dem Ersten Weltkrieg zehn Jahre Konzentrationslager überstanden. Ein Grund,
warum er 1952 viel zu früh aus dem Leben geschieden ist. Ein führender
Geistlicher der Bekennenden Kirche, Martin Niemöller, hat die Jahre von 1937
bis 1945 im Konzentrationslager zugebracht. Beide sind nach dem Zweiten
Weltkrieg zu einem Schuldbekenntnis aufgefordert worden. Martin Niemöller
musste dazu sogar eine Unterschrift leisten zum „Stuttgarter
Schuldbekenntnis" im Oktober 1945. Das ist wirklich atemberaubend.
Hennig Vorscherau, ehemaliger Erster Bürgermeister der
Freien und Hansestadt Hamburg, hat in einem Interview für die Tageszeitung
„Die Welt" am 10. April 2007 sinngemäß verlauten lassen, Deutschland habe
kein Recht auf nationales Bewusstsein. Da müssten erst hundert Jahre
NS-Herrschaft vergangen sein, dann könnte darüber nachgedacht werden.
Diese Politik ist Teil einer psychologischen
Kriegsführung, in welcher Deutschland, genau wie nach dem Ersten Weltkrieg,
als der allein Schuldige dasteht. Ein Gutes Ergebnis ist von einer solchen
Politik nicht zu erwarten. Idealismus und Hinwendung, um dem Gemeinwesen
eine gedeihliche Entwicklung zu sichern, sind mit einer solchen Politik
nicht zu verwirklichen.
Das Geschichtsbild, von dem gegenwärtig weltweit
ausgegangen wird, ist erzwungen worden. Es gibt dazu in der bundesdeutschen
Gesetzgebung entsprechende Verfügungen, die als grundgesetzwidrig angesehen
werden müssen.
Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht mir
zugesichert, ich könne weiterhin meine Auffassung frei äußern.
Die Zeiten, in denen Sozialdemokraten unter Gefahr für
Leib und Leben sich sozialem und politischem Unrecht entgegengesellt haben,
sind vorbei. Dieser Geist ist einem politischem Opportunismus gewichen.
Mit freundlichen Grüßen
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