Lutherrose

 

 

 

 

Neu 01

Einleitung

Zur Einführung in die Zeit, in der Otto von Bismarck als preußischer Ministerpräsident und Kanzler des Deutschen Reiches die Geschichte entscheidend mitgeprägt hat, soll eine Stellungnahme das Wirken Otto von Bismarcks in seinen Ämtern beleuchten.

Heinz Drews Hamburg, den 15.Dezember 2002

Postfach 605475

22249 Hamburg

e Mail: ha.dew@t-online.de

Redaktion

Preußische Nachrichten von Staats- und Gelehrten Sachen

Im „Preußen-Kalender“ steht für den 1. April eine kurze Bismarck- Biographie. Darin steht der Satz: ...,erkalkulierte kühl und setzte die vorhandenen Machtmittel ohne Skrupel ein.“ Dieser Satz ist irreführend und sollte gestrichen werden. Es entsteht der Eindruck, Bismarck habe skrupellos seine politischen Ziele verfolgt. Das ist so nicht der Fall gewesen. Als Bismarck 1862 preußischer Ministerpräsident wurde, hatte Preußen eine Reihe diplomatischer Niederlagen zu verzeichnen gehabt, die auch die Glaubwürdigkeit seiner militärischen Stärke in Zweifel zogen: Frieden von Malmö und die Verträge von Olmütz. Ohne Zweifel hat Bismarck in den ersten Jahren seiner Amtszeit gegen die Verfassung regiert. War er deshalb ein Feind des parlamentarischen Systems, wie vielfach dargestellt wird? Ganz bestimmt nicht. Als Bismarck 1863 eine Reform des Deutschen Bundes in Vorschlag brachte auf der Grundlage eines gleichen, freien und geheimen Wahlrechts, da ging ein Sturm der Entrüstung durch Europa auch in jenen Ländern, die heute als Vorbild demokratischer Entwicklung und Tradition dastehen. Nach dem Krieg gegen Österreich 1866 hat Bismarck dem preußischen Landtag gegenüber den Antrag auf Indemnität gestellt, weil das Militärbudget und die preußische Heeresreform gegen die Verfassung durchgeführt worden waren. Das Wahlrecht zum Bundestag des Norddeutschen Bundes 1869 und zum Deutschen Reichstag nach 1871 war das fortschrittlichste Wahlrecht, das es damals in Europa gab. Es war fortschrittlicher als das der Wahlrechtreform in Großbritannien 1867 unter Premierminister Benjamin Disraeli.

Das heute maßgebliche und weit verbreitete Bismarck- Bild bedarf einer nachhaltigen Korrektur. So wird suggeriert, Bismarck habe drei Kriege geführt und diese Kriege auch begonnen. Keine der drei Kriege 1864, 1866 und 1870/71 sind von Bismarck begonnen worden. Er hat Entschlossenheit zum Krieg gezeigt, aber die Kriege nicht ausgelöst. Und noch mehr als das, Bismarck hat annehmbare und brauchbare Vorschläge unterbreitet, um diese Kriege zu verhindern. Bevor 1864 der Krieg gegen Dänemark seinen Verlauf nahm, hatte sich Dänemark schon in mehrfacher Hinsicht ins Unrecht gesetzt. Indem es Schleswig annektierte und militärisch besetzte, hatte es zwei bestehende Verträge gebrochen. So den Vertrag von 1460 über die Personalunion mit Schleswig und Holstein, in dem es hieß: „up ewig ungedeelt.,“ und es hatte die Abmachungen des Londoner Protokolls von 1852 gebrochen, in dem eben jene Personalunion, zu der 1460 der Grund gelegt wurde, wiederhergestellt worden war. Dänemark hatte bei seinem Vorgehen wie 1848 auf russische und britische Unterstützung gehofft, die 1864 aber ausblieb. Die Wiederherstellung der Abmachungen des Londoner Protokolls hatte Bismarck als Kriegsziel gegen Dänemark formuliert. Ersah sich damit in Deutschland heftigster Kritik ausgesetzt. Die Reden, die dazu im preußischen Landtag und im Frankfurter Bundesparlament gehalten wurden, belegen, dass der „Reaktionär“ Bismarck die Vernunft auf seiner Seite hatte. Ich möchte den bundesdeutschen Parlamentarier sehen, der sich mit diesen Reden zu identifizieren gedenkt, die von Politikern gehalten wurden, die aus der Revolution von 1848 hervorgegangen waren, die als identitätsstiftend für die politische Gegenwart gilt.

Dänemark, jedoch, war zu keiner Konzession und keinem Kompromiss bereit.

Ebenso hat Bismarck versucht, den Krieg gegen Österreich zu vermeiden. Bevor es 1866 zum Kriege kam, wurde der „ Gablenz-Plan“ erörtert, der vorsah den Deutschen Bund in einen Nord- und einen Süddeutschen Bund zu teilen. Die süddeutschen Staaten wären danach mit Österreich zusammen gegangen, die norddeutschen mit Preußen. Wäre es dazu gekommen, hätte es das deutsche Element in der Donaumonarchie gestärkt. Es war ein überaus faires Angebot, aber den Österreichern war das zu wenig.

Bismarck war auf dem Höhepunkt seiner Erfolge maßvoll und versöhnlich gestimmt. Grillparzer hat dazu ein Gedicht verfasst. Während der Friedensverhandlungen nach der Schlacht bei Königgrätz in Nikolsburg hat sich Bismarck für einen maßvollen Frieden gegenüber Österreich eingesetzt und ihn durchgesetzt. Beschimpft und verachtet als „Questenberg im Lager“ war seine politische Laufbahn gefährdet, weil er Österreich jeden Verlust und jede Demütigung ersparen wollte.

Frankreich hatte in der Niederlage Österreichs ein Prestigeverlust für sich selbst gesehen und wollte eine Kompensation. Mit dem in Frankreich verbreiteten Schlagwort: „Rache für Sadowa“ trachtete es insgeheim danach, seine Grenze bis an das linksrheinische Ufer vorzuschieben. Den Krieg 1870/71 hat Frankreich provoziert und begonnen, obwohl Bismarck zuvor auf diplomatischen Wegen versucht hatte, Frankreich für seinen Prestigeverlust zu entschädigen. In der Auseinandersetzung um die Kandidatur des Prinzen von Hohenzollern-Sigmaringen für den spanischen Thron hatte Bismarck eine schwerwiegende diplomatische Niederlage hinnehmen müssen, aber für Frankreich war das zu wenig, und so kam es zur „Emser Depesche“, für Frankreich ein Grund zum Kriege aus einem vergleichsweise nichtigen Anlass.

Auch gegenüber Frankreich war Bismarck bemüht, die Friedensbedingungen Milde zu gestalten, er hat sich hier nur teilweise durchsetzen können. Bismarck hat dann später die Friedensbedingungen für Frankreich als moderat bezeichnet mit dem Hinweis, wenn Frankreich den Krieg gewonnen hätte, dann hätte Deutschland wesentlich härtere Bedingungen zu erwarten gehabt und dabei auf die napoléonische Herrschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts hingewiesen. Bismarck hat Recht behalten nicht nur im Hinblick auf die Vergangenheit, sondern auch im Hinblick auf die Zukunft.

Frankreich musste nach dem Krieg 1870/71 5 Milliarden Frank an Deutschland zahlen. Es hat diese Summe in zwei Jahren entrichtet. Die Reparationsforderungen der Siegermächte nach 1918 beliefen sich auf ein Zigfaches. Von all den anderen „Friedensbedingungen“ gar nicht zu reden.

Als Bismarck 1890 abrupt entlassen wurde, hat ein damals in Frankreich bekannter Publizist geäußert: „Nein die Deutschen sind kein gutes Volk, wäre Bismarck Franzose gewesen, das Firmament wäre nicht groß genug, um einem solchen Mann Ehre zu erweisen.“

1895 verweigerte der Deutsche Reichstag Bismarck die Gratulation zum 80. Geburtstag. Dieses Ereignis veranlasste den französischen Botschafter zu der Aussage: „Die Deutschen können tun und lassen, was sie wollen, sie werden nie ein großes Volk.“ Eine wahrhaft prophetische Aussage.

Nach seiner Entlassung hat Bismarck in Bad Kissingen einer Abordnung des Deutschen Studentenbundes seine Einschätzung wissen lassen mit dem Satz: „ Ich sehe das alles, was in vierzig Jahren mit Schweiß und Tränen aufgebaut worden ist, Stein für Stein wieder abgetragen wird.“ So ist es gekommen bis zum Schutthaufen von 1945.

Bismarck hatte in nicht ganz dreißig Jahren seiner Amtszeit das erreicht, wofür andere vergleichbare Nationen Generationen benötigten, aber seinen Nachfolgern war das zu wenig.

Zum Abschluss noch eine Anmerkung: 1998 hatte sich Bundeskanzler Schröder geweigert in Frankreich an den Feiern zum Jahrestag des Waffenstillstandes am 11. November 1918 teilzunehmen. Er war dafür hierzulande zunehmend mit Kritik bedacht worden. Es gereicht ihm zur Ehre, dass er standhaft geblieben ist. Wo andere ihre Triumphe über Deutschland feiern, muss ein deutscher Bundeskanzler nicht dabei sein. Es sei denn solche Feiern sollen dazu dienen, den Geist der Versöhnung wachzurufen, aber davon sind wir noch weit entfernt.

Mit freundlichen Grüßen, Heinz Drews

NavHome A66Themen

Verantwortlich für den Inhalt der Seiten,Copyright © 2003-2005: Heinz Drews