Heinz Drews
Hamburg, den 17. September 2007
Sierichstraße 106
22299 Hamburg
Herrn
Kai Diekmann
Herausgeber der BILD-ZEITUNG
Axel-Springer- Straße 65
10888 Berlin
Sehr geehrter Herr Diekmann!
In meinem Schreiben vom 9. Juni 2007 an Sie hatte ich
auch einiges zur Situation in und um Israel ausgeführt, und Ihnen meine
Absicht mitgeteilt, mich in diesem Zusammenhang mit einem Schreiben an die
Israelische Botschaft zu wenden. Das ist am 23. August 2007 geschehen. Das
Schreiben habe ich zu Ihrer Information als Ablichtung beigefügt.
Am 31. Mai 2007 wurde in einem Newsletter der
Israelischen Botschaft in Berlin über die Bereitschaft der Regierung des
israelischen Ministerpräsidenten Olmert mitgeteilt, mit Syrien
Friedensverhandlungen zu führen.
Ich habe dazu in der Vergangenheit Vorstellungen
entwickelt, die ich auch der arabischen Seite auf unterschiedlichen Ebenen
unterbreitet habe. Sollte Israel tatsächlich bereit sein, die Golanhöhen an
Syrien zurück zu geben, warum sollten dann die Israelis, die dort gesiedelt
haben, nicht auch dort bleiben? Warum sollten überhaupt jüdische Menschen
sich nicht auch in arabischen Nachbarländern niederlassen können? Der Weg zu
einer solchen Lösung wird nicht leicht sein.
Gegenwärtig wird auf dem ehemaligen Gebiet Palästinas
eine Zweistaatenlösung angestrebt. Fortschritte hat es in diese Richtung
bisher nicht gegeben.
Ich habe einen föderativen Zusammenschluss zwischen
Israel und den Palästinensergebieten vorgeschlagen, ob als Bundesstaat oder
als Staatenbund, das müssten Verhandlungen ergeben, wenn der politische
Wille dazu vorhanden wäre.
Käme es zu einem solchen Staatsaufbau, dann entfielen die
Fragen, die heute von religiösem und politischem Prestige bestimmt sind, und
ein unüberwindliches Hindernis darstellen.
Palästinenser außerhalb eines solchen Staatsgebietes
bekämen eine Identität. Gleichermaßen könnten Juden, die sich zum Zionismus
bekennen, israelische Staatsbürger werden, auch wenn sie nicht auf
israelischem Staatsgebiet leben. Erhalten bleiben muss unbedingt die
Verteidigungsfähigkeit Israels. Mit der Gründung des Staates Israel ist die
jüdische Gemeinde nicht mehr wehrlos Pogromen und Verfolgungen ausgesetzt,
die Juden nahezu zweitausend Jahre über sich ergehen lassen mussten.
Was hier in wenigen Worten ausgedrückt ist, kann nur
einen groben Umriss darstellen, der einer verfassungsrechtlichen und
vertragsrechtlichen Feinabstimmung bedarf.
Ein Individuum kann natürlich nicht ein solches
politisches Gewicht in die Waagschale werfen wie die vier ganz großen, die
UNO, die EU, Russland und Amerika. Aber der Erfolg ihrer Bemühungen steht im
Gegensatz zur Größe nie da gewesener Machtzusammenballung.
Israel und die jüdische Gemeinde haben in der
Menschheitsgeschichte eine Mission erfüllt, und diese Mission ist noch nicht
abgeschlossen.
Die Gründung der ersten christlichen Gemeinden, aus denen
die christlichen Kirchen hervorgegangen sind, ist ausschließlich von
jüdischen Menschen ausgegangen. Diese Sichtweise stößt vielfach auf
Ablehnung, ist aber eine unumstößliche historische Tatsache, die nicht
wegdiskutiert werden kann.
Israel bekennt sich zum westlichen Wertesystem, und dem
aus der Aufklärung hervorgegangenen demokratischen Verfassungsstaat. Die
Aufklärung, diese große Errungenschaft europäischer Kultur- und
Geistesgeschichte, der wir den demokratischen Verfassungsstaat verdanken.
Dieses Wertesystem hat sich abgewandt von dem Gebot, das auf dem Berg Sinai
gegeben wurde. Diese Schwachstelle hat der Islam erkannt, hier setzt er den
Hebel an im Kampf der Kulturen. Edmund Stoiber stand alleine da mit seiner
Forderung an islamische Staaten, Christen in gleicher Weise Glaubensfreiheit
zu gewähren, wie sie Moslems in Deutschland gewährt wird. Vertreter
christlicher Konfessionen haben solche Forderungen bisher nicht nennenswert
erhoben. Wie soll der Islam christliche Kirchen ernst nehmen, wenn sie sich
selbst nicht ernst nehmen.
Die jüdische Religion, die christliche Religion und die
islamische Religion, sie alle drei bekennen sich zu einem
Absolutheitsanspruch. Dieser Gegensatz kann nur in einem demokratischen
Verfassungsstaat überwunden werden, weil er das Gewaltmonopol einer Religion
ausschließt und den Dialog ermöglicht.
Die christlichen Kirchen sind in diesem Kampf der
Kulturen schlecht aufgestellt. Einem Kardinal der katholischen Kirche fällt
zur Verteidigung christlicher Wertvorstellungen, die aus christlicher Sicht
zu begrüßen wäre, nichts Besseres ein, als die Verwendung eines Begriffes
nationalsozialistischer Ideologie. Eine Fernsehmoderatorin hat an Hitler
etwas Gutes zu entdecken versucht. Was hier unter der Decke schwelt, sind
keine Ausnahme- oder Einzelerscheinungen. Es ist ein Schwelbrand wie bei
einem unterirdischen Kohleflöz, der langsam vom Feuer verzehrt wird, bis er
keinen Nutzen mehr bringt. Zwischendurch entweichen aus Erdspalten giftige
Gase.
Es soll sich hier niemand täuschen, diese Entwicklung ist
nicht nur in Deutschland zu beobachten. Es könnte sich bald zeigen, wer die
Vergangenheitsbewältigung ernst gemeint hat und wer nicht.
Mit freundlichen Grüßen
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