Lutherrose
Neu 01
Die Deutschen und ihre Identität
Presse

 

Nr. 64/8. 537 Bonn, den 12. Juni 1985

Bulletin

 

 

Die Deutschen und ihre Identität

Vortrag des Bundespräsidenten

auf dem 21. Deutschen Evangelischen Kirchentag

Bundespräsident Richard von Weizsäcker hielt auf dem 21. Deutschen Evangelischen Kirchentag in

Düsseldorf am 8. Juni 1985 folgenden Vortrag:

 

Liebe Teilnehmer, Freunde und Besucher .des Kirchentages!

Mein Thema lautet: Die Deutschen und ihre Identität.

Zwei Fragen sind damit zusammengefasst. Die eine heißt: Ich gehöre zu einem Volk, dem deutschen Volk: Welche Merkmale haben wir Deutschen als Volk? Was macht es aus, dazuzugehören? Was unterscheidet uns Deutsche von anderen Völkern?

Sodann aber, und das ist die zweite Frage, bin ich ein Mensch. Was hat die Tatsache, ein Deutscher zu sein, mit meiner eigenen Identität als Mensch zu tun? Viel oder wenig? Ist sie mir ziemlich gleichgültig? Fordert sie mich heraus? Prägt sie mein Bewußtsein? Stellt sie mich vor verantwortliche Aufgaben? Gerade als Deutscher vor Aufgaben, die ich sonst nicht hätte? Wenn ja, vor weiche?

Fallen die Antworten darauf unterschiedlich aus, je nachdem ob ich alt oder jung bin? Ob ich. evangelisch oder katholisch bin? Ob ich in der DDR oder in der Bundesrepublik Deutschland lebe?

Vorsorglich möchte ich warnen: Es handelt sich um ein schwieriges Thema! Keine Antwort auf solche Fragen wird sich für eine Balkenüberschrift eignen.

Sicher machen Sie sich bei meinem Referat nicht auf Aussagen gefasst, die Sie zu stürmischem Widerspruch oder. Zuspruch reizen. Es gibt keine einfachen, keine allgemein verbindlichen und keine unveränderlichen Antworten.

Identität, das ist zunächst die Frage danach, wie man sich selbst versteht. Es ist eine ganz persönliche Angelegenheit. Jeder hat seine eigenen Erlebnisse und Schwerpunkt. Davor gilt es, Respekt zu haben, und sich gegenseitig nichts aufzuzwingen.

Mit Resolutionen können wir nicht auf Kirchentagen, und auch nicht in Parlamenten über die Lebensgefühle verfügen, die die Identität ausmachen. Identität ist aber auch die Frage, wie man für andere verständlich ist, ob und wie uns unsere. Mitmenschen und Nachbarn verstehen können. Eine Frage also nach unserer Fähigkeit zum Zusammenleben mit anderen Völkern. Und es gibt solche Erwartungen der Nachbarn an uns.

Daher ist es schon wichtig, sich mit der Frage auseinanderzusetzen: Was ist das eigentlich: deutsch?

.Zunächst ist es ein naturgegebener Sachverhalt, deutsch zu sein. Es ist die Folge der Tatsache: hier geboren und aufgewachsen zu sein, die deutsche Sprache zu sprechen, sich hier zu Hause zu fühlen und damit ein Teil des eigenen Volkes zu sein. Ich. bin ein Deutscher, wie ein

Franzose ein Franzose, ein Russe ein Russe ist. Das ist weder ein Mangel noch ein Verdienst. Ich habe es mir nicht ausgesucht, genausowenig wie die Zeit, in'der ich lebe und die mich prägt: ausgehendes 20. Jahrhundert.

Es gibt eine starke Überlieferung, die mich als Deutschen durchdringt, ob ich mir dessen bewußt bin oder nicht: Die Überlieferung des Glaubens und der Kultur in Deutschland, der sozialen Entwicklung und der politischen Vergangenheit haben auch meine Existenz mitbestimmt. Damit muß ich mich auseinandersetzen, denn willenlos ausgeliefert bin ich ihr nicht.

Der Mensch kann den :Überlieferungen eine neue Richtung geben, er kann seine Zeit beeinflussen. Dafür ist er frei, dafür ist er verantwortlich.  Alle menschliche Geschichte ist Wandel, Veränderung. Geschichte selbst ist. der wichtigste Beleg menschlicher Freiheit, den wir haben.

Mein Deutschsein ist also kein unentrinnbares Schicksal, sondern eine Aufgabe. Wir sind mitverantwortlich, unserem Deutschsein einen Inhalt zu geben, mit dem wir uns und unseren Nachbarn verständlich sind und in dem wir uns selbst zu Hause fühlen, unserem Nachbarn erträglich und willkommen sind und vor unseren Nachkommen bestehen können. Also: Was ist das eigentlich, deutsch?

 

Fragen wir danach, was es geographisch, politisch. undkulturell umfasst, so fällt eine. objektiv gültige Antwort schwer. Dies ist eine Folge unserer bewegten Geschichte, besonders im Hinblick auf unsere Grenzen..

Wer in einem historischen Atlas blättert, findet beinahe auf jeder Seite ein anderes politisches Gebilde. Das liegt an unserer Lage in der Mitte des Kontinents. Niemand hat .so viele Nachbarn wie wir.. Sie alte haben ständig Einfluß auf. die politische Struktur Zentraleuropas gesucht.

Die deutsche Geschichte hat noch nie den Deutschen allein gehört. Mehr als andere haben wir erfahren, dass Geschichte Wandel ist. Auf die Frage nach der politischen Gestalt der europäischen Mitte hat es bisher noch nie eine endgültige Antwort der Geschichte gegeben. Auch die heutige Gestalt dürfte. nicht. das letzte Wort der Geschichte sein.

Das erfüllt die Menschen in Europa mit ganz unterschiedlichen Gefühlen: Mit Sorgen die einen, mit Hoffnung die anderen, mit gemischten Gefühlen die dritten. Ihnen allen gegenüber, den Besorgten, den Hoffenden, den Suchenden, ist unsere Verantwortung. gross.

Aber es' hat nicht nur ständige historisch politische Veränderungen des Deutschseins gegeben. Sondern es.gibt auch gute Gründe für Schwankungen unseres. Selbstbewusstseins, die unsere Identität beeinflussen. und die Hand in Hand mit unserer Geschichte gehen. Mal wollte man gern Deutscher sein,` sich vorzeigen - mal eher sich. klein und unsichtbar machen.

Um dies zu erklären, möchte ich gern von.der Gegenwart aus noch einmal zurückblicken.

Das wird die Gründe unseres heutigen Bewusstseins besser sichtbar machen und uns für den weiteren Weg rüsten. Aber nun werden vielleicht einige von Ihnen fragen, warum denn noch einmal zurückblicken? Wir haben doch ganz.andere Sorgen als die nach unserer deutschen Identität? Wir haben doch unsere grossen Aufgaben in der Gegenwart, die zugleich auch zu den großen Themenbereichen dieses Kirchentages zählen:

die weltlichen Probleme von heute; - die hartnäckige Arbeitslosigkeit;

- die Zukunftssorgen. junger Menschen im Hinblick auf Ausbildung und Beruf;

- die Sorge um den Frieden: es sind die Rüstungsausgaben, die steigen, aber nicht das Gefühl der Sicherheit;.

- der Gegensatz zwischen Arm. und Reich: künstlich geförderte Überproduktion Von Nahrungsmitteln bei uns, riesige Hungersnöte in der Dritten Welt;

- der Schutzader Natur um. ihrer selbst und um. unserer Kinder willen: Der Boden droht abzusterben, weil wir ihm zu rasch zu intensive Erträge abtrotzen;

- die Gefahr, dass wir nur die Zauberlehrlinge unserer wissenschaftlichen und technischen Fähigkeiten sind: Beherrschen wir sie oder beherrschen sie. uns? Wir ringen in der Genetik um eine Gen-Ethik. Reicht unsere moralische. Kraft?

- Und schliesslich: Hier bei uns leben wir in grosser Freiheit. Sie zu genießen, uns. ihre Rechte zu sichern, das können wir. Aber ihre Pflichten zu tragen, sie mit verantwortlichen Inhalten zu füllen, sie anderen zugänglich zu machen, die noch auf sie. warten sie mit anderen zu teilen .können wir das auch?

Das alles sind grosse Aufgaben unserer Zeit. Unsere Gedanken kreisen um sie. Sie gehören zu unserem. Selbstverständnis, zu unserer Identität.

Und nun die Fragen: Sind das alles spezifisch deutsche Probleme? Sind sie entstanden und für uns,vorhanden, weil wir Deutsche sind? Sind sie lösbar innerhalb unserer geistigen und politischen Landschaft in Deutschland?

Nein, ganz gewiss: Frieden. und Umwelt, Hunger und Gerechtigkeit, Medien . und Wissenschaft, das alles weist weit über unsere Grenzen hinaus.

Diese Probleme begründen noch keine spezifische.deutsche Identität. Und weil.sie so stark im Vordergrund des Bewusstseins vieler Menschen, vor allem 'junger Menschen, stehen, deshalb scheint es zunächst auch so, als ob viele unter uns, zumal viele der Jüngeren, an den Fragen der.deutschen Identität nicht besonders interessiert sind. Wir wollen uns ja auch nichts einreden.

Aber ist das. wirklich so? Betrachten wir das Problem zunächst von aussen.

Ich war kürzlich in Holland und habe dort mit jungen .Menschen diskutiert. Ich habe nach Arbeitslosen, Umwelt und Frieden gefragt. Sie wollten aber ganz andres wissen.

Die einen: Steht Ihr zur Vergangenheit-wie wir? Oder muß man Euch fürchten? Die anderen: Sie sehen unsere Teilung, aber ganz anders als wir: Für sie hatte sich mit der Teilung Europas in erster Linie nicht der Osten nach Westen verschoben; für sie ist mit dem Entstehen der Bundesrepublik Deutschland vielmehr der Westen nämlich der Westen der Demokratien weiter nach Osten gerückt.

Nicht alle Holländer, nicht alle Nachbarn denken so, aber man sieht keineswegs davon ab, daß wir Deutsch e sind, wenn es um die Lösung einiger der oben genannten und noch nicht genannten Probleme geht.

Und darüber hinaus wird unser Lebensgefühl auch noch aus anderen Quellen gespeist, deren Ursprünge tiefer liegen und weiter zurückreichen. Wenn wir eins sein wollen mit uns selbst, und wenn wir mit unseren Nachbarn im reinen sein wollen, dann müssen wir auch, mit unserer Herkunft im reinen sein. Nicht umsonst lautet das Thema heute nachmittag in dieser Halle des .Kirchentages: “40 Jahre” danach. So unbegründet sind die, Fragen der Holländer nicht, die ich gehört habe.

In den vergangenen Monaten hat es. eine tiefgehende, oft erregte, im Ergebnis heilsame Auseinandersetzung über diese Themen gegeben. Sie hat und gezeigt, wie gegenwärtig Vergangenheit sein kann. Gewiß: So verschieden die persönlichen Schicksale damals gewesen waren, so unterschiedlich waren nun auch die Stimmen. Aber eines zeigte. sich  mit Klarheit: Wir müssen die Vergangenheit kennen, wir dürfen der Erinnerung gerade dort nicht ausweichen, . wo sie schmerzt, wir brauchen ein gemeinsames Grundverständnis darüber.

Wenn ein Volk nichtweiss, wie es zu seiner Vergangenheit steht, dann kann es leicht in der Gegenwart stolpern, dann hat es ein Identitätsproblem. Aber zunächst, muß ich ganz rasch viel weiter zurückgehen als vierzig Jahre. Denn unsere Identität beginnt ja nicht 1945. Wir sind hier auf dem Evangelischen Kirchentag. Zu seiner Eröffnung hat Kardinal Höffner namens der Katholischen Kirche ernste und bewegende Worte über die Trennung der Christenheit gesagt.

Die Identität: der Deutschen hat viel mit der Reformation zu tun. Lange bevor sie überhaupt. eine politische Nation bilden konnte, waren die Deutschen schon,religiös geteilt, schärfer als die meisten anderen. Völker, fast zerrissen. Das hat sich auch im staatlichen Bereich tief ausgewirkt

Deutschland ist das Land Martin Luthers, das Land der Reformation. Daraus haben wir Protestanten oft gefolgert, wir hätten ein besonders . enges Verhältnis zum Begriff

„deutsch". Man neigte zur Ausgrenzung der Katholiken. Die Reichsgründung unter Führung des protestantischen Preußen und Bismarcks Kulturkampf gegen die Katholi.sche Kirche trugen dazu bei, unterschiedliche Formen eines deutschen Selbstbewußtseins bei Katholiken und Protestanten zu erzeugen.

Eigentlich ist es erst nach dein Zweiten Weltkrieg zu einer vollen-Integration gekommen, nichtzuletzt durch gemeinsame Schicksale in der Kirchenverfolgung unter dem Nationalsozialismus.

Heute hat für die Identität der Deutschen die Konfession keinen trennenden Charakter mehr.

keinen trennenden Charakter mehr. Aber gerade weil dies so ist, und weil wir uns zahlenmäßig fast gleichstark auf die Konfessionen verteillen, sollten eben deshalb wir Deutsche um so

Impulse für die Ökumene geben, sie uns stets zur Aufgabe machen.

Dies ist um unseres Glaubens, um des. Zeugnisses der Christen in der Weit willen dringend nötig. Und. es entspricht äuch dem 'perssönlichen Bedürfhis der meisten Gemeindemitglieder in den noch  immer getrennten Kirchen.

Eine prägende Rolle für Selbstbewußtsein und Identität der Deutschen spielt die Kultur. Sie ist es, die  historisch gesproch in erster Linie ein deutsches Nationalgefühl entstehen ließ. Es ging nicht gleich üm politische Ziele, sondern um geistige Eigenständigkeit. Im 18. Jahrhundert wollte man nicht französisch sein. Lessings Nationaltheater, Herders Nationalkultur gehören dazu.

Die großen Leistungen der klassischen Philosophie und Dichtung, allen voran Kant und Goethe, fanden weltweit Widerhall. Sie gaben den Deutschen das Bewußtsein, gemeinsam einer geachteten Kulturnation anzugehören. Man war gern deutsch. Freilich hat das Verhältnis von Kultur und Politik,, von Geist und Macht uns Deutschen oft besonders zu .schaffen gemacht.

Schon Schiller hatte geklagt:

Deutschland? Aber wo liegt es?

Ich weiß. das Land nicht zu finden.

 

Wo das gelehrte beginnt, hört das politische auf.

Hölderlin nennt die Deutschen „tatenarm und gedankenvoll". Der Gedanke schweift zurück oder nach vorn, die Tat geschieht hier und heute. Nietzsche. sagt: Die Deutschen sind von vorgestern und von -übermorgen - sie haben kein heute. Und Thomas Mann schließlich beschwört die deutsche Innerlichkeit, die Musikalität der Seele als schönste deutsche. Eigenschaft. Aber er sieht bei uns einen Aufstand der Mystik gegen die Klarheit. Er nennt das Verhältnis des deutschen Gemütes zur Politik ein „Unverhältnis".

Das alles sind subjektive Urteile. Es geht mir nicht darum, etwas „typisch Deutsches"" mit ihnen zu beweisen. Was ich im Zusammenhang mit der Kultur sagen möchte, ist dies: Immer wenn wir Deutschen..Kultur ernst nahmen und

unseren eigenen Weg der Kultur suchten, warnen wir nicht .nur anderen willkommen, sondern wir taten uns auch selbst den besten Dienst. So auch heute..

Das ist keine Frontstellung gegen das technische Zeitalter. Erst recht ist es kein unpolitischer Weg. Kultur ist Lebensweise. Kultur ist daher auch Politik. Kultur verstanden als Lebensweise, ist vielleicht die glaubwürdigste Politik. Sie ist es,..die unsere Identität stärkt, und zwar gerade dort, wo uns staatliche und gesellschaftliche Systemgrenzen in unseren Selbstverständnis belasten oder trennen.

Aber zurück zur staatlichen politischen Entwicklung.. Bei den Deutschen.. war ein erwachendes Nationalbewußtsein in der Zeit. Napoleons zum Antrieb einer politischen Freiheitsbewegung geworden. Es wurde, nicht nur aur Lessings Theater, sondern auch auf der politischen Bühne um nationale Identität gekämpft. Nach den Niederlagen der frühdemokratischen Bewegungen der Paulskirche und. nach dem gewaltsamen Ausscheiden Österreichs schuf Bismarck den Nationalstaat. Ihm schwebte Deutschland als Mittler und Brücke zwischen Ost und West vor.

Unterdessen nahm aber das nationale Selbstbewußtsein der europäischen Völker gefährliche Züge an. Man ging dazu über, sich anderen Nationen überlegen zu fühlen. Das eigene. Bild wurde verherrlicht, das Bild der Nachbarn herabgesetzt. Übersteigertes Selbstgefühl verstärkte den Drang nach mehr Macht. Industrialisierung und Kolo nialismus rückten vor.

In Deutschland wurden nach :Bismarck die Dämme der . Mäßigung gebrochen. Deutschland war nicht der Urheber,. sondern nur der verspätete Teilhaber des Nationalismus, aber mit gefährlichem Nachholbedarf, „mit Volldampf voraus", wie es im wilhelminischen Zeitalter hieß. Indem die Deutschen nun auch noch in die Weite ausgriffen, führten sie eine Übermacht von,. Nachbarn zu einer großen;: Koalition gegen sich zusammen.. Am Ende des Ersten Weltkrieges war Deutschland besiegt und in Versailles, gedemütigt. Danach gab es verantwortliche Friedensbemühungen in Frankreich und Deutschland, aber sie waren den Gegenkräften unterlegen. Nirgends war der Nationalismus überwunden. In. Deutschland2staüte er sich erneut an. Auf. dem Boden schwerer sozialer und wirtschaftlicher Not noch in extreme Formen an. .

Hitler erhob die deutsche Nation zum obersten. aller Werte. Nur weil sie die deutsche war, sollte sie das Recht haben, die Welt zu beherrschen,. als. Deutsch germaninische Rasse. Konsequenz waren Gewalt und Krieg mit der halben Welt. In besetzten Gebieten. wurden Juden und andere zusammengetrieben und ermordet. Der Holocaust nahm seinen Lauf. Völkermord, Vernichtung,

Haß ohne Beispiel. Tod und unermeßliches Leid rings um uns her und bei uns selbst. Deutschland wurde zerstört, besiegt,. besetzt und geteilt. Das Wort „deutsch", was bedeutet es danach?

Hinter uns lag ein Abgrund an Gewalt .und Schuld. Hinter uns lag eine furchtbare Anstrengung, die die Kräfte des Volkes aufgezehrt hatte. Man war befreit vom nationalsozialistischen Unrechtsystem. Aber für viele waren die-Leiden nicht vorüber.. Gewalt gegen unschuldige Menschen, Vertreibung aus jahrhundertealter Heimat folgten.

Es war schwer, in jenen Tagen ein Deutscher zu sein. Es gab kein Einverständnis der Deutschen mit sich selbst.. Wie hätte es auch anders sein können nach allem was geschehen war, nach allen enttäuschten'lllusionen, allem Unrecht, aller ..Leichtfertigkeit des Unwissens und des Gewissen, aller mangelnden Wahrhaftigkeit!~

Aber die deutsche. Geschichte. ist 1.945; nicht zu Ende gegangen. Seit. bald vier Jahrzehnten gibt es auf deutschen Boden eine freiheitliche Demokratie. Auch dies ist ein Teil unserer Geschichte ein guter Teil.                                                                                                                                                                         

 

 Wenn heute in der Welt von Deutschen die Rede werden Freiheit, soziale Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, mitgedacht.

Unsere Demokratie hat ihre Mängel,. wie jede andere auch. Man mag manche solcher Mängel auf typisch deut-, sehe Eigenschaften ' zurückführen. Aber, das führt nicht sehr weit. Unsere besonderen Erfahrungen und Erinnerungen belasten uns nicht nur, sie vermitteln uns auch hilfreiche und schützende Einsichten. Wir haben die Erfahrungen von Diktatur, Krieg und Unrechtsstaat wie kaum ein anderes Volk.

Im Erbe unsererGeschichte mit ihren hellen. und dunkelen .Kapiteln ist dies ein besonders schwerer Abschnitt. Aber je besser wir- ihn, versteinen; je klarer wir die Erinnerung` .wahren, je unzweideutiger wir die Verantwärtung.für die Folgen tragen, desto weniger erwachsen aus der Vergangenheit Krisen unserer Identität. Desto besser sind wir uns selbst und unseren Nachbarn verständlich.

Viele sagen: Immer diese. ewigen Vergangenheitsfragen wir haben nichts damit zu tun, wir wollen uns nicht damit belasten. In Wahrheit glaube ich, ist-es unigekehrt. Nicht hinzusehen, das bedeutet Belastung. Aber sich der Vergangenheit zu stellen, das entlastet uns für unserer, das erleichtert uns für unsere Gegenwartsaufgaben.

Besonders schwer lastet die Teilung auf uns. Vor allem, die Menschen in der DDR tragen schwer an ihr. Sie leben in einem Staat und. einem Bündnissystem des „real existierenden Sozialismus”. Dies bestimmt. ihre Erfahrung und ihr Leben existenziell.

Für uns in der Bundesrepublik bedeutet dies zunächst: Wir sollten mit Urteilen über das Leben, zumal das Leben von Christen in der DDR, vorsichtig sein und uns mit Ratschlägen aller Art zurückhalten. Für uns gibt es nichts . besser zu wissen oder zu patronisieren.

Aber wir haben allen Grund uns mit Kopf und Herz. den. Menschen in'der DDR zuzuwenden und verbunden zu fühlen. Dafür gibt es viele Möglichkeiten des Besuchs und persönlichen Kontakts. Besonders empfinde ich Freude über Besuche aus der DDR. Herzlich grüße ich alle anwesenden Teilnehmer dieses Kirchentages, die aus der Deutschen Demokratischen Republik kommen. Erfurt und. Dresden, die Mark Brandenburg und die Insel Rügen haben mehr mit uns selbst, mit unserer eigenen Identität zu tun als ein schöner Sonnenstrand am Mittelmeer.

Waren Sie alle schon einmal in der DDR?

Aber auch für jeden, der sich hier bei uns öffentlich äußert, zählt es zur ständigen Aufgabe, sich stets darüber Rechenschaft abzulegen, ob er mit dem, was er sagt, vor den Deutschen in der DDR

Rechenschaft abzulegen, ob er mit dem, was er sagt, vor den Deutschen in der DDR bestehen  kann und nicht, ob er mit seinen Worten hier im eigenen. Kreis Beifall findet. Man hört drüben sehr genau hin, was bei uns alles gesprochen wird, manchmal genauer als bei uns selbst. Man registriert mit feinen Antennen, ob hier bei uns zum Beispiel ein Politiker sich bemüht, sich in, die Lage eines DDR Bürgers zu, versetzen, von ihm aus zu denken, oder ob er die Deutschlandpolitik primär als Instrument. zum Schlagabtausch mit dem. hiesigen innenpolitischen Gegner missbraucht..

Es gibt Dinge, die drüben kaum auf Verständnis stossen` können. Zum Beispiel wenn jemand hier einerseits ständig von Wiedervereinigung spricht, andererseits aber lautstark „Deutschland, Deutschland" ruft, um damit hinter der Mannschaft der Bundesrepublik zu stehen, wenn sie gegen die Kollegen aus der DDR antritt. Es ist ja nichts Böses dabei, die eigeile Mannschaft anzufeuern. Aber zum einen darf man sich ruhig.auch einmal über die wahrlich imponierenden Leistungen der Sportler aus der DDR freuen. Und zum anderen sollte uns der Sport helfen, nicht hindern, unsere Lage als Deutsche zu erkennen und zu behalten.

Wir leben heute in zwei voneinander unabhängigen Staaten und in zwei unterschiedlichen Gesellschafts- und Bündnissystemen..                                                                                                                          Der Begriff „deutsch" ist wesentlich vom Schicksal der Teilung gezeichnet.                                                                                                                               Dennoch ist er der Teilung selbst nicht zum Opfer gefallen. Die Menschen in der DDR sind nicht nur Bürger ihres Staates, sondern sie sind zugleich auch Deutsche, Deutsche wie wir.

Mit dem Kriegsende. kam die. Aufteilung in Besatzungszonen, mit dem. Ost-West-Konflikt die Spaltung Europas und die Teilung Deutschlands-sowie seine Eingliederung. in Machtblöcke unterschiedlicher Werte und Ziele. Deutschland geriet aus seiner historischen Mittelposition in eine doppelte Randlage.

Die Grenze zwischen den beiden, antagonistischen Blöcken deckt sich mit derjenigen zwischen den beiden deutschen Staaten.

Die Bundesrepublik Deutschland ist der Osten des Westens. geworden, die DDR der Westen des Ostens. Die Teilung Deutschlands zu beenden, setzt. voraus, daß die Teilung Europas überwunden werden kann.

Trotz doppelter Randlage bleibt Deutschland aber von den Bedingungen seiner Lage in der Mitte. Europas geprägt. Zwar ist diese Mitte geteilt, aber sie bleibt Mitte.

Für uns in derBundesrepublik Deutschland wirkt sich dies in zwei Grunddaten aus.

Das erste ist unsere Westbindung. Wir. gehören' in den Kreis der westlichen Demokratien. Es ist die innere Wertordnung,. es sind die Verfassungsgrundsätze, die uns mit denen zusammenbinden, welche denselben inneren Prinzipien verpflichtet sind. Diese Bindung . an einen ständig verbesserungsbedürftigen, aber eben auch verbesserungsfähigen freiheitlichen und sozialen Rechtsstaat ist endgültig und unwiderruflich.

Das zweite Grunddatum ist unsere Zusammengehörigkeit mit den Deutschen in der DDR. Sie ist eine menschliche Lebenstatsache -und' eine politische Aufgabe. Die . Mitte unseres Kontinents soll nicht Konflikte schüren. Sie soll blocküberwindende Kräfte . der Friedensförderung.

stärken.. In unserer .. menschlichen . Verbundenheit und unserer geopolitischen Mittellage sollen wir uns dafür einsetzen, unseren näheren und ferneren Nachbarn im Osten trotz unterschiedlicher innerer Systeme näher zu kommen und friedlich zusammenzuleben. Niemals.war dies für die  Deutschen in ihrer Geschichte wichtiger als, im Zeichen der Teilung und im Atomzeitalter.

Diese doppelte Lage, die sich aus unserer eindeutigen Westbindung und unserem Willen zum Ausgleich mit dem Osten ergibt,  wird oft als unbequem empfunden.; von Deutschen ebenso wie von Nachbarn. Wahr ist, daß die Teilung den von ihr betroffenen Menschen schwere. Lasten auferlegt und daß sie ihnen Menschenrechte vorenthält. Wahr ist auch, daß es. Eine deutsche.Frage gibt, die unbequem ist.

Wenn einer eine Frage hat, möchte er in der Lage sein, sie zu beantworten und damit zu erledigen. Und wenn man sie nicht beantworten kann, dann möchte man am liebsten ihre  Existenz leugnen. Das,i.st menschlich verständlich. Aber fragen verschwinden nicht einfach deshalb vom Erdboden, bloß weil man sie nicht beantworten kann.

Das beweist die Geschichte immer wieder.

In Berlin habe ich eine Formulierung gehört, die jeder verstehen kann: Die deutsche Frage ist so lange offen, als das Brandenburger Tor zu ist. Damit ist der Kern der Frage getroff Er betrifft die Freiheit der Menschen. Nirgends ist er deutlicher spürbar als im Zentrum des geteilten Berlin. Aber er. betrifft nicht weniger alle Deutschen und alle Europäer.

Mit einer deutschen Frage zu leben, ist für die Deutschen nicht neu. In der Mitte des 19. Jahrhunderts war das politische Geschehen in Deutschland geradezu-von der deutschen Frage beherrscht. Man rang um Einheit und um Freiheit, im Sinne verfassungsmäßiger; freiheitlicher Bürgerrechte..

Beide Ziele lagen in einem Spannungsverhältnis zueinander. Der Kampf um die freiheitliche Verfassung in Innern Eiar nach dem Scheitern der Revolution von 1.848 unterbrochen. Aber er war nicht aufgegeben. Schließlich jedoch erhielt damals die Einheit den Vorrang vor der Freiheit,.welche in wichtigen Bereichen noch auf sich warten ließ.

Auch heute bewegt sich die deutsche Frage im Spannungsfeld von Einheit und Freiheit. Aber es ist anders-als damals. Der Kern der Frage ist die Freiheit. Ein Fortschritt in Richtung auf Einheit um den Preis von Freiheit wäre ein Rückschritt.

Geteilt sind, ich sagte es schon; nicht nur. Berlin und Deutschland. Geteilt ist die Gemeinschaft der Europäer.

Die europäischen Nationen haben lange genug gegeneinander um Vormacht gekämpft. Obwohl sie dieselben historischen und kulturellen Wurzeln hatten, trat im Kampf um die Macht und in der Übersteigerung.der Nationalismen das Bewußtsein der Gemeinschaft der europäischen Völker .in den Hintergrund.

Die europäischen.Weitkriege dieses Jahrhunderts waren selbstzerfleischende Bruderkriege. An ihrem Ende ist das Bewußtsein.europäischer Zusammengehörigkeit wieder gewachsen. Wir gehören denselben historischen Ent wicklungen an und gründen unser. privates. und staatliches Leben auf verwandte europäische Werte.

Das Thema der Einheit, das sich uns heute stellt, ist primär ein gesamteuropäisches. Seine Substanz sind nicht wie früher nationale Grenz- und Gebietsfragen. Es geht nicht :darum,. Grenzen zu verschieben, sondern Grenzen, den trennenden Charakter für die Menschen zu nehmen.

Es geht um Menschenwürde, um Menschenrecht, um Glaubens- und Gewissensfreiheit, um Freiheit der Meinung und der Bewegung, Bestimmung für,die Natur und für eine, gerechte Entwicklung in der Dritten Welt.

In der Schlußakte von Helsinki, deren Unterschrift sich heuer zum zehnten Male jährt, die eine tiefe Wirkung getan hat und noch weiter tun.wird, ging es schon um diese Themen.

Einheit der Europäer heißt nicht staatliche Einheit oder Gleichheit der Systeme, sondern ein gemeinsamer Weg bei einem menschenwürdigen Fortschritt der Geschichte.

Die deutsche Frage ist in diesem Sinn eine europäische Aufgabe.Für ein solches Ziel in Europa. rnit;friedliehen Mitteln zu wirken, ist vor allem Sache der Deutschen.

Wären wir einander gleichgültig in den beiden deutschen Staaten, so wäre dies viel schwieriger.

Es ist gerade das Gefühl der Zusammengehörigkeit in der Trennung über Systemgrenzen hinweg, das, uns stärker motiviert und besser befähigt.

Jeder denke dabei zuerst an das, was er selbst beitragen kann. Wir sind hier im Evangelischen Kirchentag versammelt. Die evangelischen Kirchen in beiden deutschen Staaten gehen ihren Weg nicht nur in voller Unabhängigkeit voneinander, sondern auch , in der besonderen Gemeinschaft der ganzen evangelischen Christenheit in Deutschland. Wir tragen dafür in partnerschaftlicher Freiheit gemeinsam Mitverantwortung.

Viele von uns waren im Luther-Jahr drüben. Und vielen ist dieses Erlebnis unvergeßlich geworden. Wenn ich über meine Identität als. Deutscher nachdenke, denke ich eben auch und stark an Wittenberg. Und ich wiederhole dies hier. so, wie ich es beim Kirchentag auf dem Marktplatz von Wittenberg im Luther Jahr 1983 gesagt habe. Wir waren dort. Und wir sind hier verbunden in dem; was den Kirchentag immer ausgemacht hat und weiterhin geprägt und trägt.

Jung und Alt, Laien. und Pfarrer arbeiten aktiv zusammen, um ihren christlichen Glauben in der Welt zu bezeugen und bemühen sich, Konsequenzenim eigenen Leben daraus zu. ziehen. Um der Glaubwürdigkeit des christlichen Zeugnisses. willen machen wir nicht Halt an Grenzen von Bekenntnissen, Gemeinden, Landeskirchen oder Ländern. Kirchentag und Ökumene sind eins.

Wir leben hüben und drüben unter verschiedenen Bedingungen, gesellschaftlichen Systemen und persönlichen Spielräumen.. Wir respektieren dies gegen

seitig. Keiner will dem anderen in unangemessener Weise dreinreden. Aber wir sind, wenn auch in zwei Staaten, hüben und drüben Deutsche. Uns verbindet mehr als Sprache, Kultur und Haftung für die Geschichte.

 Denn auch die wesentlichen Ziele haben wir gemeinsam.

 

Dies fängt beim Einfachsten an: Wir atmen dieselbe Luft. Sie macht vor Grenzen nicht Halt: Sie reinzuhalten, ist unser gemeinsames.Interesse. Der Friede, um den wir uns sorgen und bemühen, ist nicht teilbar zwischen Ost und West. Wenn wir Menschen um ihn. ringen, sollten wir uns auch selbst nicht aufteilen in Träumer und Realisten.

Frieden zwischen Menschen und, Völkern.fällt uns nicht träumend in den Schoß. Er erfordert von uns mehr als das Überspielen von Gegensatz und Konflikt Sehnsucht und Gefühl. Er verlangt gute christliche Tugenden, nämlich Nüchternheit und Aufrichtigkeit.

Der Realist aber muß die Kraft haben, zu erkennen,.daß es für die Sicherung des Friedens eben nicht genügt, wenn alles einfach so bleibt, wie es in Europa seit vierzig Jahren ist.

Ich lebe in der Bundesrepublik Deutschland und übe ein Amt im Rahmen unserer Verfassung aus, zu deren freiheitlichen Werten und Zielen ich mich voll bekenne und die ich nicht relativiere. Aber das schließt nicht aus,. sondern ein, daß wir zum Beispiel in den Verhandlungen zur

Abrüstung und Rüstungskontrolle nicht immer einer Seite das absolut Gute und Richtige, der anderen hingegen das ablolut Böse und Falsche zurechnen dürfen. Gut und Böse, Gerechtigkeit und Selbstgerechtigkeit, Irrtum und Schuld gibt es überall.

Zum Frieden gehört es, sich gegenseitig nicht festzunageln auf konfrontative Äußerungen, die es auf jeder Seite gibt. Besser ist es, an. positive Ansätze. der anderen. Seite  anzuknüpfen, die auch auf beiden Seiten vorkommen. Es ist überhaupt kein Triumph, wieder einmal beweisen zu können, der Gegner sei und bleibe so verstockt wie stets.

Man habe es ja immer gewußt.

Hinter einer solchen Haltung verbirgt sich in Wahrheit nur das Bedürfnis, sich den Gegner

das Bedürfnis, sich den Gegner stets als Gegner zu erhalten, damit man sich auch selbst nur ja nicht zu korrigieren braucht. Manchmal kann man diesen Gegner auch positiver und besser verstehen, als er es selbst schon kann und tut. Dann kann man sich auch selbst besser korrigieren.

Immer wieder diskutieren wir über die Abschreckungsstrategie. Wie sollte es auch anders sein? Wir können sie rational kaum nachvollziehen. Ein Schweigen der Waffen durch Waffen zu erzwingen, deren Einsatzalle vernichtet, den Gegner und uns selbst, wie soll der Mensch mit sei

nem Verstand-und Gefühl solche Waffen begreifen?

Aber die Aufrichtigkeit gebietet es zu erkennen, daß es in den letzten Jahrenzehnten ungleich  schwerer gewesen wäre, in unserer Region kriegerische Verwicklungen zu vermeiden. Das ist eine Aporie,. ein Widerspruch, ein schwerer Konflikt, und zwar einer, aus dem niemand einen einfachen Ausweg weiß. Auch dies nicht zu verschweigen, sondern einzugestehen, gehört zur Verantwortung für den Frieden.

Die Vollversammlung des Ökumenischen. Rates der Kirchen in Vancouver hat gesagt: Nirgendwo kann es je Frieden geben, „wenn es nicht überall für alle Gerechtigkeit gibt”.

Das nackte, individuelle- Überleben hier in Zentraleuropa ist der Güter einziges und höchstes nicht. Wir in Europa müssen und wollen uns um die Kontrolle und vor allem die. Verminderung von Rüstungen mit unserer ganzen Kraft einsetzen.

Aber wir sollten uns hüten vor einer sicherheitspolitischen Besessenheit zwischen Ost und West. Es geht nicht allein um Rüstung und Abrüstung, sondern um friedliche Beziehungen und um Zusammenarbeit. auf allen Gebieten zwischen Ost und West.

Erst wenn wir Armut und Hunger in der Welt lindern helfen, wenn wir zur Gerechtigkeit überall beitragen, erst dann helfen wir wirklich, den Weg zum Frieden zu ebnen. Es geht um einen menschengerechten Frieden.

 

In Wittenberg auf dem Kirchentag hieß die Losung: „Vertrauen wagen”. Unsere Losung heißt: „Die Erde ist des Herrn". In Wittenberg wie hier in Düsseldorf können wir sagen: „Vertrauen gemeinsam wagen". Es ist die uns gemeinsame Erde des.einen Herrn.

„Die Deutschen und ihre, Identität." Was heißt es eigentlich deutsch?

Wir sind Menschen wie andere auch. Wir lieben wie sie unsere. Heimat. Freilich hat unsere Lage, unsere Geschichte, unsere vielen Nachbarn. und haben nicht zuletzt wir selbst helles Licht und dunkle Schatten erzeugt.

Immer wieder haben sie. Wandel mit sich gebracht. Sie haben uns den Nachbarn und uns selbst oft schwer verständlich gemacht. Sie haben. uns zumeist kein gleichmäßiges und seiten ein vereintes Dasein beschert, sondern Trennungen auferlegt.

Wir müssen immer wieder lernen, sie zu ertragen, ohne  gleichgültig zu werden. Wir müssen und wir können sie nutzen und fruchtbar machen, nicht nur für uns selbst; sondern für viele andere Menschen auch.

Der französische Dichter Paul Claudel schrieb nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges über uns Deutsche: Deutschland ist nicht dazu da, die Völker zu spalten, sondern um sie zu versammeln. Seine Rolle ist es: Übereinstimmung schaffen all die unterschiedlichen Nationen, die es umgeben, spüren zu lassen, daß sie ohne einander nicht leben können.

Daß sie aufeinander angewiesen sind.. Das. ist ein großer, ein zuversichtlicher Auftrag für uns. In der bewegten Geschichte und in der Trennung liegt auch eine Chance.

Der Weg in die Zukunft liegt, nicht fest. Er ist dunkel und offen zugleich. Es liegt an uns, auf seine Richtung einzuwirken. Der Mensch ist frei.. Es ist unsere Sache, dem Begriff “deutsch” einen Inhalt zu geben, mit dem: wir selbst und mit dem die Welt gern und in Frieden leben

können.

 

Grußwort des Bundeskanzlers

an den Deutsche Evangelischen Kirchetag.

Der Bundeskanzler sandte an die Teilnehmer des 21. Deutschen Evangelischen Kirchentages 1985 in Düsseldorf folgendes Grußwort:

 

Die Erde ist des Herrn diese Losung.des 21. Deutschen

Evangelischen Kirchentages mahnt uns zur Behutsamkeit im Umgang mit Gottes Schöpfung. Sie ist ins anvertraut nicht ausgeliefert. Sie ist- Gabe und ernähr uns. Aber wir wissen auch um die Pflicht, die Erde und unsere natürlichen Lebensgrundlagen möglichst unversehrt unseren. Kindern und Enkeln zu erhalten.

Teil der Schöpfung ist aber auch der Mensch. „Wie gäbe es den Menschen, wenn Gott ihn nicht brauchte?" fragt Martin Suber in einer seiner Schriften. Wir sind dazu aufgerufen, an Gottes Schöpfung teilzuhaben, von ihren und von unseren Gäben den rechten Gebrauch zu machen.

Niemand von uns kennt das Ziel der Geschichte, dennoch sind auch wir dem Lauf der Weit nicht einfach. ausgeliefert. Es ist uns die Fähigkeit und das Recht gegeben, die Welt, in der wir leben, mitzugestalten.

.Immer häufiger stehen wir dabei vor der Frage, was wir verantworten können und wo uns Grenzen gesetzt sind. Darüber muß gesprochen, manchmal auch gerungen werden: in den Kirchen wie auch in der Politik.

Stets aber sollte uns auch hier die Losung Ihres Kirchentages zur Behutsamkeit, zur Rücksicht auf den Mitmenschen, zur Achtung der Aufrichtigkeit und des guten Willens auch des Andersdenkenden mahnen.

Die Erde ist des Herrn die Mahnung dieses Wortes ist unübersehbar. Aber ich denke, es will dem Christen auch eine Botschaft der Hoffnung sein: die Erinnerung nämlich, daß die Erde und damit auch wir als Teil der Schöpfung in Gottes Obhut bleiben.

Den Teilnehmern des 21.. Deutschen Evangelischen Kirchentages übermittle ich auch im Namen der Bundesregierung meine herzlichen Grüße und wünsche Ihnen allen fruchtbare Diskussionen im Geist christlicher Begegnung.

 

Helmut Kohl
Bundeskanzler
 

Das Ägernis

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