Lutherrose
Neu 01
An die Israelische Botschaft

Heinz Drews                                                                      Hamburg, den 12. 1. 1985

Sierichstraße 106

2000 Hamburg 60

 

 

An die

Israelische Botschaft

Simrock- Allee 2

5300 Bonn

 

Es war in der Vergangenheit schon oft meine Absicht, gegenüber der Israelischen Botschaft eine Stellungnahme abzugeben über das, was immer noch und auch in Zukunft zentrales Thema der Politik sein soll, nicht nur in den Beziehungen zwischen Deutschland und Israel.

Den Anstoß, mein Vorhaben zu verwirklichen, gab ein Bericht in der Tageszeitung „Die Welt“ über die VIII. Deutsch- Israelische Konferenz, die im November vorigen Jahres stattfand. Ein anderer Anlaß ist die gegenwärtig in den Medien stattfindende Diskussion, weil sich das Ende des „Dritten Reiches“ zum vierzigsten mal jährt.

Die nationalsozialistische Herrschaft und die Ereignisse des Schreckens der Vergangenheit beeinflussen das Leben und die Entscheidungen vieler Menschen, besonders Deutsche und Juden, im politischen Leben und in den Entscheidungen der politisch Verantwortlichen und auch im privaten Leben einzelner und der Familien.

Die geschichtliche Darstellung der Vergangenheit, die NS- Herrschaft betreffend, wie sie gegenwärtig, es kann gesagt werden, weltweit vorgenommen wird, vermittelt ein Geschichtsbild, das nicht für sich in Anspruchnehmen kann, uneingeschränkt der Wahrheitsfindung zu dienen und die Wahrheit und Wirklichkeit der Vergangenheit in vollem Umfang objektiv wiederzuspiegeln.

Dieses so vermittelte Geschichtsbild ruft falsche Eindrücke hervor, die unheilvolle Entwicklungen in den Beziehungen der Völker nach sich ziehen und den Geist der Versöhnung unter den Völkern nicht fördern, und das hat Bedeutung besonders für zukünftige Generationen. Jede Politik, die nicht die Versöhnung zum Ziel hat muß zwangsläufig neues Unheil gebären, wobei mir bewußt ist, daß der Begriff Versöhnung für alle, die in der Vergangenheit Leid erduldet haben, auch wiederum zwangsläufig eine andere Dimension haben muß. Ich möchte dem Begriff Versöhnung auch keinen weltanschaulichen Inhalt geben, sondern etwas anderes damit verknüpfen: Nämlich, daß gemeinsame Grundlagen geschaffen werden, die eine Wiederholung der Ereignisse der Vergangenheit, in welcher Form auch immer, für die Zukunft für immer unmöglich zu machen. Solche, das Zusammenleben der Völker regelnde Grundlagen gibt es bis heute nicht, sonst hätte die Geschichte der Menschheit nach 1945 einen anderen Verlauf genommen.

 

Es gibt zu viele Ereignisse der Vergangenheit in Zusammenhang mit der NS- Herrschaft, die verzerrt, unzureichend oder auf Grund ihrer Bedeutung in vernachlässigender Form dargestellt werden.

Die Ursachen, die 1933 zum Zusammenbruch der Demokratie in Deutschland geführt haben, finden kaum Erwähnung. Die Weimarer Republik, immer noch als Abbild eines demokratischen Staatswesens gepriesen, war in Wirklichkeit ein Abbild völliger Korruption, allein die Arbeitslosenrate betrug zeitweise 30%. Damit war ein Fundament zu allem Unheil gelegt. Es muss im Hinblick auf diese Wirtschaftskrise der Verdacht geäußert werden, daß der Öffentlichkeit hier einiges verschwiegen wird, und das wäre ein beachtenswert schwerwiegender Vorgang.. Denn Wirtschaftskrisen, damals wie heute, brechen nicht herein wie eine Naturkatastrophe, sondern sind Folgen menschlichen Handelns und politischen Machtmissbrauchs. Wissenschaftliche Erkenntnisse im ökonomischen Bereich werden mit Rücksicht auf die machtpolitischen Verhältnisse totgeschwiegen und verhindert.

In Zusammenhang mit dieser Feststellung muß auf das wirtschaftswissenschaftliche Werk Silvio Gesells hingewiesen werden.

Folgende Erkenntnisse im ökonomischen Bereich gehen auf Silvio Gesell zurück:

 

- Umlaufgesicherte Indexwährung

 

Die umlaufgesicherte Indexwährung berücksichtigt nicht nur den Faktor Geldmenge, sondern auch den Faktor Umlaufgeschwindigkeit. Alle in Umlauf gebrachten Zahlungsmittel stehen unter Umlaufzwang; nur so ist es möglich, eine zur Geldwertstabilität führende Geldmengenregulierung in Bezug auf die auf den Markt gebrachten Arbeitserzeugnisse und Dienstleitungen herbeizuführen.

 

- Freigabe der Wechselkurse

 

Die Freigabe der Wechselkurse wird im internationalen Wirtschaftsleben heute praktiziert, wenn auch nur halbherzig. Eine wirkliche Freigabe der Wechselkurse gegenüber jeder Währung würde automatisch zu ausgeglichenen Handels- und Zahlungsbilanzen führen. Der zerstörerische und selbstzerstörerische Wettbewerb der einzelnen Volkswirtschaften untereinander und gegeneinander wäre damit unterbunden. Auf eine „Leitwährung“ könnte verzichtet werden.

 

- Bodenrecht

 

Ein Bodenrecht, in dem die Wertsteigerung des Bodens nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage der Allgemeinheit zu Gute kommt.

 

Es ist besonders bedeutsam, daß Albert Einstein in seinem Buch „Mein Weltbild“ die von Silvio Gesell geforderten Maßnahmen befürwortet hat. Folgendes Zitat aus seinem Buch soll erwähnt werden: „Die Schaffung eines Geldes, das sich nicht horten läßt, würde zur Bildung von Eigentum führen in wesentlicherer Form führen“.

Von einem Dozenten für Volkswirtschaft an einer deutschen Universität bin ich einmal informiert worden, daß bereits auf dem Zionistenkongreß in Basel umlaufgesichertes Geld gefordert worden ist aus der Erkenntnis heraus, es sei unerläßlich für ein friedliches Zusammenleben der Völker auf dem Boden sozialer Gerechtigkeit.

Solange dieser Boden gedüngt und bepflanzt wird mit Wirtschaftskriegen und Wirtschaftskriegen, mit Inflation und Deflation, können darauf keine guten Früchte gedeihen.

 

Ein anderer wichtiger Aspekt wird in seiner Darstellung der wirklichen Entwicklung in der Vergangenheit nicht gerecht. Der Teufel kam eben nicht so ausschließlich mit Klumpfuß und Pferdeschwanz auf die Bühne der Geschichte, wie es fast ausnahmslos in der Gegenwart gezeigt wird. Die Arbeitslosigkeit wurde mit Beginn der NS- Herrschaft innerhalb kurzer Zeit beseitigt. Es wurden viele soziale Maßnahmen durchgeführt, die es im vorhergehenden demokratischen Staat nicht gegeben hatte, und Hitler konnte schlagartig von einem außenpolitischen Erfolg zum anderen schreiten. Es kann nicht geleugnet werden, daß die Siegermächte des Ersten Weltkrieges Hitler geradezu in massiver Form all jene Unterstützung zuteil werden ließen, die sie dem demokratischen Staat der Weimarer Republik verweigert hatten. Die Machtergreifung Hitlers hätte ohne weiteres verhindert werden können, wenn  bedacht wird, wie gegenüber der Weimarer Republik aus viel nichtigeren Anlässen Bestrafungs- und Besetzungsaktionen von den oben erwähnten Siegermächten des Ersten Weltkrieges durchgeführt worden sind.

Krönender Abschluss der vorgenannten Unterstützung Hitlers war der Hitler- Stalin- Pakt, die entscheidende Ursache zum Beginn des Zweiten Weltkrieges. Hitlers Einmarsch in Polen wurde hernach verurteilt, eine Verurteilung des Einmarsches der Sowjet- Union in Ost- Polen zum selben Zeitpunkt steht noch immer aus.

„Zeugen des Jahrhunderts“ heißt eine Fernsehreihe im Deutschen Fernsehen. Hierin hat auch Prof. Eugen Kogon die oben genannte Entwicklung in den Vordergrund seiner Aussagen gestellt. Prof. Kogon ist sicher ein unverdächtiger Zeuge. Er hat als katholischer Christ sieben Jahre in nationalsozialistischen Konzentrationslagern zugebracht. Er hat im Verlauf einer der genannten Fernsehsendungen über eines seiner Erlebnisse berichtet. Er erwähnte darin die Tatsache, daß der Rüstung dienenden Fabrikanlagen im Konzentrationslager Auschwitz, bei einem alliierten Bombenangriff zerstört wurden, während die angrenzenden Vernichtungstrakts verschont blieben, und daß der ehemalige amerikanische Hochkommisar, Mc Cloy, auf die Frage, warum dies so geschehen sei, die Antwort verweigert habe.

Im Juli vorigen Jahres sendete das Deutsche Fernsehen anläßlich  des Jahrestages des Attentates auf Hitler am 20. Juli 1944 einen Beitrag unter dem Titel: „Widerstand in der Immigration.“

Aufnahme und Wirken der Immigranten in den Nachbarländern des damaligen Deutschen Reiches sollte hierin veranschaulicht werden. Wie sich die Aufnahme gestaltete wurde unterstrichen durch ein Original- Churchill Zitat: „Buchtet sie ein“.

Zum Stichwort Widerstand läßt sich noch einiges anfügen: Der deutsche Widerstand gegen Hitler hat von internationaler Ebene keinerlei Rückhalt erfahren. In welcher Form er sich auch geäußert hat, er war von Anbeginn an isoliert. Es gibt beweiskräftige Dokumente darüber, daß es den Gegnern ausschließlich auf die Vernichtung Deutschlands ankam, gleichgültig, ob mit oder ohne Hitler.

In der beschriebenen Richtung ließe noch vieles anführen und ausführen über Immigrantenschiffe, die den Ozean durchkreuzten, und ohne Aufnahme zu finden wieder auf das Meer hinausgeschickt wurden oder über das mysteriöse „Verschwinden“ des SS- Hauptmannes Gerstein, bekannt als der „Spion Gottes“.

Darstellungen solcher Art sind Raritäten auf dem Markt der geschichtlichen Information.

Als besonders erwähnenswertes Dokument muß ein Bericht im III. Programm des Deutschen Fernsehens angesehen werden. Diese Sendung war der Tatsache gewidmet, wie amerikanische Geheimdienste nach dem Zweiten Weltkrieg eine beträchtliche Anzahl hoher SS-Offiziere über die sogenannte „rat- line“ (Ratten-Linie) mit gefälschten Papieren von München über Genua nach Südamerika geschleust haben, unter denen sich auch Klaus Barbie befand, der unlängst von Bolivien nach Frankreich ausgeliefert wurde.

 

Es ist kein Geheimnis, viele faschistische Militärdiktaturen in Süd- und Mittelamerika erfreuen sich des Wohlwollens der USA, und man darf vielleicht die Vermutung äußern, daß jene SS- Offiziere nach Südamerika gebracht worden sind, um dort entsprechende „Erfahrungen“ in Anwendung bringen zu können..

Als Klaus Barbie nach Frankreich ausgeliefert wurde, und es offenbar wurde, daß auch er nach dem Zweiten Weltkrieg von US- Geheimdienstagenten nach Südamerika gebracht worden war, erfolgte eine Entschuldung von Seiten der US- Regierung gegenüber Frankreich. Der US- Regierungssprecher hob schützend seine Hände über jene Geheimdienstagenten, indem er ihnen bescheinigte, sie hätten in „gutem Glauben“ gehandelt: „ They acted in good faith.“

Angesichts aller historischen Erfahrung und Entwicklung, muß eine solche Äußerung mit offiziellen Charakter auch seitens der USA, als eine ungewöhnliche Zumutung angesehen werden, und es muß wohl den machtpolitischen Verhältnisse zugeschrieben werden, die es ermöglichen, eine solche Erklärung abzugeben, ohne jegliche Reaktion in der Weltöffentlichkeit. Ein weiterer Beweis dafür, daß die Gewissen durch die Ereignisse der Vergangenheit keineswegs geschärft worden sind.

Die Sowjet- Union und die USA haben den entscheidenden Kampf gegen Hitler geführt und haben bei den Völkern der Welt Hoffnungen geweckt, die sich nicht erfüllt haben. Die Völker der Welt leben heute in ständiger Angst vor einem Vernichtungskrieg mit Waffen von nie da gewesener Grausamkeit und Vernichtungsmöglichkeit.

Kriege, Stellvertreterkriege und Unterdrückung, die dogmatischer Sozialismus und dogmatischer Kapitalismus über die Welt gebracht, sprechen für sich.

Es war das erklärte Kriegsziel des amerikanischen Präsidenten Roosevelt, das machtpolitische Prinzip in der Welt zu beseitigen. Dieses Ziel wurde nicht erreicht. Ich möchte mit meiner Stellungnahme kein Missverständnis hervorrufen, es kommt nicht darauf an Aufrechnungsargumente oder Aufrechnungsstatistiken in Umlauf zu bringen, oder irgendwelche Rechtfertigungen und Rechthabereien zu betreiben.. Es besteht aber die Notwendigkeit, Geschichtsbilder nicht ausschließlich nach machtpolitischen Verhältnissen auszurichten. Bestimmte geschichtliche Entwicklungen sollten deshalb an das Licht gebracht werden, um den Menschen den Weg zur Versöhnung zu erleichtern und freizumachen.

Als Christ deutschen Nationalität bin ich außerdem gezwungen zu der Feststellung, daß die von den Siegermächten vorgenommene „Umerziehung“ zur Vernichtung jeglicher christlichen Tradition und Wertvorstellung in Deutschland führt. Das gilt für angelsächsisch inspirierte Pop- und Pornokultur im Westen Deutschlands ebenso wie für den marxistischen inspirierten Atheismus im östlichen Teil Deutschlands.

Die Zerstörung des nationalen Selbstbewußtseins , besonders bei den nachfolgenden Generationen in Deutschland wird böse Folgen haben, einer Zerstörung der geistigen Substanz wird auch eine Zerstörung der materiellen Substanz folgen, das ist jetzt schon offenkundig.

Es gibt Traditionen der Deutschen Geschichte, die unverzichtbarer Bestandteil nicht nur der Deutschen Geschichte, sondern auch der Geschichte der Menschheit sind. An diesen Traditionen haben jüdische Menschen maßgeblichen Anteil. Das alles kann nicht Opfer kollektiver Vergeltungsmaßnahmen werden, in welcher Form sie auch vorgetragen werden.

Abschließend möchte ich mir erlauben, noch etwas Persönliches anzufügen. Ich habe über meine politische Überzeugung schon mit vielen Menschen Diskussionen gehabt, ich habe aber nirgendwo soviel weltanschaulich motivierten Haß erlebt wie in Kreisen des amerikanischen Protestantismus’ und damit in Verbindung stehenden christlichen Organisationen.

Ich erwähne das nicht, um Gegensätze aufzubauen, solche Gegensätze lassen sich überwinden. Ich erwähne es, weil auch Israel dabei eine Rolle spielt.

Ich glaube an eine gemeinsame Zukunft von Deutschen und Juden zum Segen für die Menschheit.

Realpolitiker halten ein solches Anliegen für unsinnig, aber Realitäten haben immer etwas Grausames an sich, sie bergen darum immer die Notwendigkeit zu einer Veränderung zum Besseren.

Für die Zukunft wäre es meine Absicht, ein intensives Studium der hebräischen Sprache zu betreiben, um an einer israelischen Universität studieren zu können. Ob sich eine solche Möglichkeit eröffnen wird weiß ich noch nicht, ich werde mich aber darum bemühen.

     Mit vorzüglicher Hochachtung
     Heinz Drews28

 

Das Ägernis

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