Heinz
Drews
Hamburg, den 25. Januar
2010
Trittauer Amtsweg 42
22179 Hamburg
Seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI.
Palazzo Apostolico
00102 Vatikan
Verehrte Heiligkeit Papst Benedikt XVI.
Am 2. Januar 2010 habe ich ein Schreiben an die
Apostolische Nuntiatur in Berlin gerichtet, das ich zu Ihrer Information
mit dem Antwortschreiben vom 7. Januar 2010 als Ablichtung beigefügt
habe.
Zum besseren Verständnis
der Hintergründe erlaube ich mir aus theologischer Sicht, einiges aus
meiner Biographie anzuführen, verknüpft mit einigen leidvollen
Erfahrungen.
Als Sie am Tage der
Papstwahl auf dem Balkon des Petersdomes erschienen, war ich innerlich
ergriffen. Ich habe mit Ihrer Wahl zum Oberhaupt der katholischen
Christenheit Hoffnungen verbunden, die ich immer noch hege.
Ihrem Namensvorgänger im
Amt, Papst Benedikt XV., war während des Ersten Weltkrieges die Aufgabe
zugefallen, zwischen den Kriegführenden Parteien zu vermitteln, Dieser
Vermittlungsversuch ist bekanntlich gescheitert. Deutschlands
Kriegsgegner sahen keine Veranlassung zu irgendeinem Entgegenkommen. Die
alliierten Kriegsgegner Deutschlands wollten ihre Maximalforderungen
durchsetzen, wie zuvor die Mittelmächte auch, als noch für sie die
Aussicht bestand, den Krieg zu gewinnen. Diese Politik ist die
eigentliche Ursache für das größte Unheil der europäischen Geschichte im
vorigen Jahrhundert.
Der amerikanische
Protestantismus hat in dem Krieg auch eine theologische
Auseinandersetzung gesehen, eine Auseinandersetzung zwischen Luther und
Calvin. Dieser Gegensatz findet seinen Ausdruck in einem Gebet des
amerikanischen Präsidenten, Woodrow Wilson, vor dem amerikanischen
Kongress, das er öffentlich abgehalten hat, um auch damit den Eintritt
der USA in den Ersten Weltkrieg zu begründen.
Die Auswirkungen, die
der amerikanische Protestantismus in der Geschichte gehabt hat, lassen
sich bis in die jüngste Vergangenheit zurück verfolgen.
In den Jahren 1962/63
habe ich in Frankreich eine christliche Missionsschule besucht, die von
amerikanischen protestantischen Kirchen betrieben wurde. Ich wurde
gezwungen diese Schule vorzeitig zu verlassen, weil es zu theologischen,
aber auch zu politischen Differenzen gekommen war.
Es wurde dort der
Standpunkt vertreten. Der „wahrhaft gläubige“ Christ könne nicht
Mitglied der katholischen Kirche sein. Einen Standpunkt, den übrigens
auch der reformierte Theologe Karl Barth vertreten hat. Ich habe mich
immer um Bekenntnisgrundlagen bemüht, die auf eine Einheit der
Christenheit abzielen. Ich halte die Gegensätze nicht für
unüberwindlich. Diesen Standpunkt habe ich auch gegenüber Vertretern
amerikanischer Kirchen eingenommen, was aber auf entschiedene, um nicht
zu sagen feindselige Ablehnung stieß.
Ich habe mir erlaubt
dazu folgende Schreiben als Ablichtungen beizufügen:
-Schreiben vom 21 Juli
2008 an den amerikanischen Präsidenten, George W. Bush
-Schreiben vom 2.
Februar 2009 an den amerikanischen Präsidenten, Barak Obama
-Schreiben vom 31 Juli
2009 an die Britische Botschaft
Diese Schreiben können
zu einem besseren Verständnis des Gesamtzusammenhanges dienen.
Während meines Studiums
in Frankreich wurde im Januar 1963 der deutsch-französische
Freundschaftsvertrag zwischen dem ersten Präsidenten der V. Republik,
Charles de Gaule, und dem deutschen Bundeskanzler, Konrad Adenauer,
geschlossen, mit dem Frankreich und Deutschland neue Wege beschreiten
wollten. Die Gegner dieses Vertrages formierten sich schnell, besonders
die amerikanische Politik ließ ihre Ablehnung deutlich erkennen. Die
Kritik steigerte sich zuweilen bis ins Maßlose. Kommentatoren schreckten
nicht davor zurück, Charles de Gaule in die Nähe Hitlers zu rücken.
In Zusammenhang mit dem
deutsch- französischen Vertragswerk ist ein Ereignis besonders
bemerkenswert. Der Vertrag wurde mit einem feierlichen Gottesdienst in
der Kathedrale zu Reims besiegelt, dem Ort, wo traditionsgemäß die
französischen Könige gekrönt wurden. Das war auch eine Absage an
tragende Elemente der Französischen Revolution.
Die gegenwärtige
europäische Verfassung, der so genannte „Lissabon- Vertrag“ weist in
eine andere Richtung. Er trägt den Stempel der Französischen Revolution
mit ihren negativen Auswirkungen.
Eine Errungenschaft der
Französischen Revolution verdient Anerkennung, sie hat einen
entscheidenden Anstoß zur Verwirklichung des demokratischen
Verfassungsstaates gegeben. Die Beseitigung absolutistischer Gewalten
war und ist eine Notwendigkeit. Das gilt für Staatsformen, Konfessionen
und die Errichtung wirtschaftlicher und politischer Eliten.
Eine andere
Errungenschaft der Französischen Revolution hat unheilvolle Folgen in
der Geschichte nach sich gezogen. Der Nationalstaat wurde zum Gott
erhoben, womit eine Abkehr vom universalen Staatsgedanken des
Mittelalters einherging.
Der dynastische Friede
des Wiener Kongresses 1815 hat Europa einhundert Jahre vor einem
flächendeckenden Massenvernichtungskrieg bewahrt. Der nationalstaatlich
begründete Friede parlamentarischer Demokratien 1919 hat zwanzig Jahre
später Europa in die größte Katastrophe seiner Geschichte gestürzt.
Protestantisch
orientierte Romantiker wie Novalis haben die Abkehr vom universalen
Staatsgedanken des Mittelalters nicht nur bedauert, sondern abgelehnt.
Der Philosoph Hegel wollte sich hier nicht festlegen.
Oliver Cromwell war zur
Zeit seiner Herrschaft an den Großen Kurfürsten von Brandenburg Preußen
herangetreten mit dem Vorschlag, ein organisatorisches, protestantisches
Gegenstück zur katholischen Kirche zu schaffen. Kurfürst Friedrich
Wilhelm hat das abgelehnt, obwohl selbst streng reformatorisch gesonnen.
Stattdessen wollte er Ludwig XIV. bewegen, den universalen
Staatsgedanken des Mittelalters zu erneuern, was aber auf Ablehnung
stieß.
Auch Napoleon I. hat
solches Ansinnen von sich gewiesen.
1810 wurde Hamburg dem
französischen Territorium zugeschlagen. Kirchen wurden wie anderen Ortes
auch in Lagerhäuser und Pferdeställe umfunktioniert. Eine Vorwegnahme
dessen, was sich mehr als einhundert Jahre später in der Sowjet-Union
ereignete.
Der universale
Staatsgedanke des Mittelalters gründete sich auf eine Wahlmonarchie und
nicht auf eine Erbmonarchie, was von der Historiographie vielfach
vernachlässigt worden ist. Kein Geringerer als Dante hat um seinen
Erhalt und seine Erneuerung gerungen. Auch wenn die Kaiser des
Mittelalters zumeist Deutsche waren, konnte dennoch nicht von einer
zwangsläufigen Festschreibung gesprochen werden. Kaiser Karl V. war eher
ein Spanier. Kaiser Franz I. von Frankreich, der sich ebenfalls um die
Kaiserkrone beworben hatte, scheitere an der steigenden Macht
frühkapitalistischer Gewalten.
Der universale
Staatsgedanke hatte auch Eingang in die russische Geschichte gefunden.
Das zaristische Russland erhob den Anspruch, das „Dritte Rom“ zu sein.
Vor dem historischen
Hintergrund ist auch die Gründung der „Heiligen Allianz“ nach Abschluss
des Wiener Kongresses bemerkenswert. Die Monarchen dieser Allianz
gehörten drei unterschiedlichen Konfessionen an. Der österreichische
Kaiser war katholisch, der preußische König protestantisch reformiert
und der russische Zar orthodox.
Die Heilige Allianz
stellte sich in einen Gegensatz zum demokratischen Verfassungsstaat zu
dem die Aufklärung den geistigen und die Französische Revolution den
politischen Anstoß gegeben hatten. Der demokratische Verfassungsstaat
gewährt Freiheiten, die aus christlicher Sicht kritisch gesehen werden
müssen. Hier muss der Weg gefunden werden, der allen Beteiligten den
offenen Dialog ermöglicht. Das ist nicht immer sicher gestellt, ich habe
da gegenteilige Erfahrungen machen müssen.
Wer in Goslar vor der
nachempfundenen wieder errichteten, mittelalterlichen Kaiserpfalz steht,
wird dort zwei Reiterstandbilder erblicken. Die Kaiser Friedrich I.
Barbarossa und Kaiser Wilhelm I. sind einträchtig nebeneinander stehend
dargestellt. Es könnte der Eindruck entstehen, als solle hier eine
historische Kontinuität ihren Ausdruck finden. Ein solcher Eindruck wäre
irreführend. Das Zweite Deutsche Kaiserreich war keine Fortsetzung des
Ersten mittelalterlichen Kaiserreiches. Das Zweite Kaiserreich war ein
Nationalstaat, der bewusst so gestaltet worden war und darum auch
gescheitert ist. Im Zentrum Europas bestanden andere Voraussetzungen als
in den Randstaaten, die sich große Kolonialimperien schufen. Es wäre
aber ungerecht, den Menschen in Deutschland das Recht abzusprechen, sich
ein historisch begründetes Nationalbewusstsein zu eigen zu machen. Die
Einheit Deutschlands, wie sie im 19. Jahrhundert vollzogen wurde, ist
oft als „deutscher Sonderweg“ angesehen worden. Damit wird den Menschen
in Deutschland das Recht abgesprochen, was andere Nationalitäten wie
selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen.
Bismarck, unter dessen
staatsmännischer Leitung Deutschland geeint wurde, hätte es nicht wagen
dürfen, an den universalen Staatsgedanken des Mittelalters zu
appellieren. Das hätte sehr schnell zu einem Flächenbrand in Europa
führen können. Genau diese Gefahr hat Bismarck selbst so gesehen.
Außerdem wollte Bismarck ein protestantisch geprägtes Deutschland. Vor
Ausbruch des Krieges 1866 wurden zwischen Preußen und Österreich
Verhandlungen geführt, um einen Krieg zu vermeiden.
Verhandlungsgrundlage bildete der „Gablenz- Plan“. Er sah die Bildung
eines Norddeutschen Bundes unter der Führung Preußens und eines
Süddeutschen Bundes unter der Führung Österreichs vor, mit der Mainlinie
als Grenze. Der Plan wurde schließlich von Österreich verworfen.
Es geht nicht darum, das
Rad der Geschichte zurück zu drehen, sondern um durch einen Dialog ein
besseres gegenseitiges Verständnis zu finden, um auf dieser Grundlage
die Zukunft zu gestalten.
Die Reformatoren haben
durch Übersetzungen der Heiligen Schrift in die jeweiligen Volkssprachen
einen wichtigen Beitrag zur Verbreitung des Evangeliums geleistet, es
war damit aber auch zugleich der Einstieg in nationalstaatliche Gefilde
verbunden.
Das Lied Martin Luthers.
„Ein feste Burg ist unser Gott“ hat ausschließlich geistlichen Bezug. Es
wurde im Ersten Weltkrieg umfunktioniert in ein Kampflied nationaler
Machtpolitik.
Das Heilige Römische
Reich war kein Nationalstaat. In diesem Staatsgedanken hatten viele
Nationalitäten Platz, auch nach dem Zerfall des Karolingerreiches. Es
gab in diesem Reich eine deutsche Dominanz, die aber nicht im
Nationalismus oder gar Rassismus begründet war. Das alles ist in
späteren Zeiten hinein interpretiert worden. Wohl gab es auf dem
Höhepunkt der Herrschaft der Kaiser von Hohenstaufen jene überlieferte
Aussage des John of Salisbury: „Quis Teutonicos constituit judices
nationum?“
Ich erlaube mir zum
Abschluss noch einiges zu meiner Person anzuführen: Ich habe im März
vorigen Jahres mein Studium im Hauptfach Geschichte, den Nebenfächern
Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und Theologie mit dem Magisterexamen
abgeschlossen und arbeite jetzt an einer Dissertation.
Dazu habe ich die
Wahlzeitung zur Wahl zum Studierendenparlament der Universität Hamburg
beigefügt, die auf der Seite 30 meine Listenvorstellung nebst einigen
von mir entworfenen Flugblättern enthält.
Am 20. November 2006
habe ich ein Schreiben an die Botschaft der Republik Polen gerichtet,
das am 29. November 2006 beantwortet wurde, worauf ich am 14. Dezember
2006 erwidert habe. Alle drei Schreiben sind als Ablichtung beigefügt.
Über diesen Schriftwechsel war ich besonders erfreut. Das Erreichte ist
aber aus der deutschen Politik heraus wieder zunichte gemacht worden.
Dafür habe ich kein Verständnis. Ich sehe darin eher eine Missgunst als
eine Ablehnung meines vertretenen Standpunktes.
Gegen Seine Heiligkeit
Papst Pius XII. wird bis in die Gegenwart der Vorwurf erhoben, er habe
sich der Flut nationalsozialistischen Unheils nicht entschieden genug
entgegengestellt.
Papst Pius XII. hat über
Monate in geheimen Verhandlungen versucht bei den gegen Deutschland
Krieg führenden Mächten eine Unterstützung der deutschen
Widerstandsbewegung gegen Hitler zu erwirken, Ohne Erfolg. Andere
Mächte, die hätten mehr tun können, haben weiniger getan.
Auf Josef Stalin wird
die Frage zurückgeführt: „Wie viel Divisionen hat der Papst?“
Eine Antwort auf diese
Frage finden wir in der Heiligen Schrift: Sacharia, Kapitel 4, Vers
6: Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist
geschehen, spricht der Herr Zeaboth.
Mit besten
Segenswünschen
Heinz Drews 
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