Lutherrose
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25 Punkte 2

Programmpunkt Nummer 11

 

Abschaffung des arbeitslosen und mühelosen Einkommens, Brechung der Zinsknechtschaft.

 

Zu diesem Programmpunkt mit seiner inhaltlichen Aussage kann ein aktueller Bezug und zur gegenwärtig laufenden Diskussion um Raubtier- und Heuschreckenkapitalismus hergestellt werden. Um gleich jedes Missverständnis auszuschalten und Verdächtigungen jeder Art entgegenzuwirken, muss eines festgehalten werden: Mit der Machtübernahme der NSDAP am 30. Januar 1930, geriet gerade dieser Programmpunkt gänzlich in Vergessenheit. Er war von da ab kein Thema mehr. Es war dies ein Versprechen, das neben vielen anderen nicht eingehalten wurde. Es gab in der Partei das unausgesprochenes Verbot, gleichsam wie ein Gesetz, das Thema nicht zu erwähnen, obwohl es zeitweise als das „Herzstück“ nationalsozialistischer Bestrebungen gegolten hatte.

Brechung der Zinsknechtschaft ist ein großes Wort, und die Lasten dieser Knechtschaft sind in der politischen Gegenwart besonders drückend, und dieser Druck steigt pro Sekunde um 2500 €. Es ist alles ein wenig wie vor mehr als siebzig Jahren. Eine deflationäre Währungs-und  Wirtschaftspolitik beschleunigt noch den Sog in die Tiefe. Wie soll die Schuldenlast beseitigt werden? In den Jahren nach dem ersten Weltkrieg bis zu jenem Novembertag im Jahre 1923 wurden Sparer und Gläubiger mit Hilfe der Notenpresse enteignet. Zur Inflationszeit nach dem Ersten Weltkrieg hat der jüdische Schriftsteller Stefan Zweig, der sich in der Immigration das Leben nahm, geäußert, diese Zeit habe Deutschland hitlerreif gemacht. Als die Weimarer Republik ab 1930 der zweite, diesmal deflationäre Schlag traf, da reiften die Früchte endgültig. Geld- und Währungspolitik erwiesen sich als wirksame Steuerungselemente in dieser Zeit. Der Weimarer Republik brachten sie den Untergang, und Hitler den Aufstieg. Es war ein manipulierter wirtschaftlicher Aufstieg, der nur durch den Krieg im Verborgenen blieb, weil die eigentlichen Ursachen wirtschaftlicher Turbulenzen nicht beseitigt wurden.

Wie war das jetzt mit dem arbeitslosen und mühelosen Einkommen? Also Einkommen ohne dafür zu arbeiten oder irgendwelche Mühen auf sich zu nehmen. Arbeit ist vom Kapital abhängig, wird behauptet, oder es wird die Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit angestrebt. Wir brauchen hier nicht nationalsozialistisches Gedankengut bemühen, um nach Lösungen zu suchen. Abraham Lincoln, Präsident der Vereinigten Staaten von 1860 bis 1865 hat mit einer eindeutigern Feststellung Klarheit geschaffen:

Labor is prior to, and independent of, capital. Capital is only the fruit of labor, and could never have existed if labor had not first existed. Labor is the superior of capital, and deserves much higher consideration. (Arbeit war vor  dem Kapital und ist unabhängig davon. Kapital ist nur die Frucht der Arbeit und könnte niemals existieren, wenn es nicht vorher Arbeit gegeben hätte. Arbeit steht über dem Kapital und muss in der Betrachtung im Vordergrund stehen.)

Nicht nur Häuser, Schiffe und Maschinen und alles, was Menschen herstellen sind Kapital. Auch das Geld, mit dem Arbeitserzeugnisse getauscht werden, ist Kapital, und zwar ein Kapital, das genauso von der Arbeit abhängig ist, denn ohne Arbeit und Arbeitserzeugnisse wäre das Geld nur ein Fetzen Papier, ohne jeglichen Nutzen. Es gibt also keine Gleichberechtigung von Arbeit und Kapital und schon gar nicht ist die Arbeit vom Kapital abhängig. Wir leben aber in einem System, in dem alles auf den Kopf gestellt ist. Solange dieser Zustand andauert, bleibt die Soziale Frage ungelöst.

Franz Müntefering  hat die allgemeine Betrachtung in die richtige Richtung gelenkt, etwas zaghaft zuweilen, aber seit seiner Kapitalismuskritik summt und brummt es. Er hat also genau ins Wespennest gestoßen. Es kann noch tiefer gestochert werden. Eine Schutzmaske ist dazu nötig, die vor verbalen Entgleisungen schützt.

Es hat in der allgemeinen Aufregung einige Äußerungen gegeben, die weder sachlich noch historisch eine Rechtfertigung finden. So ist versucht worden, die SPD mit der NSDAP auf eine Stufe zu stellen. Das ist völlig unhaltbar, zeigt aber wie tief getroffen jene Kreise sind, die sich angesprochen fühlen, die mit ihren Wutausbrüchen zugleich ihre Hilflosigkeit zur Schau stellten.

Mancher Beitrag zum Thema lässt auch die Definitionen verschwommen erscheinen. Da werden Unternehmer und Kapitalisten in einen Topf geworfen und umgerührt. Es ist aber eine sorgfältige Unterscheidung notwendig, denn ein Unternehmer ist kein Kapitalist, und ein Kapitalist kein Unternehmer. Beide können beides sein, aber die Funktionen im Wirtschaftsleben können nur einer getrennten Betrachtung unterliegen. Ein Unternehmer gründet ein Unternehmen, um mit Arbeitserzeugnissen, den Markt zu bedienen, und wenn ihn nicht ein Herzinfarkt hinwegrafft, und seine Produkte sich gut verkaufen, kann er auf der Bahn des Erfolges einherschreiten. Die Bank verlangt zunächst nur Zinsen für geliehenes Kapital, steht dem Unternehmer aber schon als kapitalistisches „Unternehmen“ gegenüber. Denn eine Bank will keine Güter erzeugen, worin schon der funktionale Unterschied deutlich hervortritt.

Wird nun ein Unternehmen und sein Unternehmer größer und reift heran zu einem Großkonzern, dann steigt der Kapitalbedarf. Das Unternehmen geht an die Börse, die Aktionäre zeichnen Aktien, und das Unternehmen kann expandieren. Der Aktionär und Kapitalgeber wird dem Unternehmen solange treu bleiben wie eine gute Dividende und ein steigender Aktienkurs in Aussicht stehen. Produktion und alles, was für ein Unternehmen damit in Zusammenhang steht, die Sorgen und der tägliche Existenzkampf, denen ein Unternehmer unterworfen ist, berühren den Aktionär als Kapitalgeber nur insoweit, als der Erfolg des Unternehmens gewährleistet ist. Eine Sorge bleibt auch dem Kapitalgeber nicht erspart. Er muss um den rechtzeitigen Ausstieg bemüht sein, wenn ein Unternehmen in seiner Existenz gefährdet ist. Ein Aktionär kann auch einen Ortswechsel vollziehen und dorthin gehen, wo höhere Dividenden und Kursgewinne in Aussicht stehen.

Völlig widersinnig ist in dieser Betrachtung das Gerede vom Klassenkampf. Das ist ein schlecht durchdachtes Ablenkungsmanöver. Der Kleinaktionär, der sich von ein wenig Erspartem Aktien oder „Volksaktien“ erwirbt, ist in seiner Funktion in dem Augenblick ein Kapitalist, auch wenn er sich dessen vielleicht nicht bewusst ist, und er weiter an seiner Werkbank sein tägliches Auskommen suchen muss.

Besonders gefährlich wird es, wenn Arbeit und Leistung durch eine Diktatur des großen Geldes manipuliert und zunichte gemacht werden können. Freier Wettbewerb ist dann nicht mehr möglich. Wird Leistungsbereitschaft durch spekulatives Denken ersetzt, dann beginnt eine bedrohliche Entwicklung für eine Volkswirtschaft.

Die Geldströme bestimmen, wann, wo, wie gearbeitet werden darf. Da, wo diese Ströme hinfließen, entstehen blühende Landschaften, da, wo sie sich verweigern, vertrocknet alles. Geldkapital, das in seinem Wert durch Arbeit geschaffen worden ist, wird jetzt eingesetzt, um Arbeit zu vernichten. Die Dax- Unternehmen, so war aus den Medien zu vernehmen, haben im letzten Jahr ihren Gewinn auf 35 Milliarden € verdoppelt. Dennoch sollen 35000 Arbeitsplätze abgebaut und ins Ausland verlagert werden, und diese Verlagerung wird auch noch vom Steuerzahler subventioniert. Der doppelt Betrogene wird arbeitslos gemacht, wodurch allen, die noch arbeiten dürfen, ein weiteres Paket zu tragen auferlegt wird. Oft wird vor einer Entlassung noch die Möglichkeit eröffnet, den zukünftigen ausländischen Konkurrenten anzulernen, bevor der endgültige Hinauswurf vollzogen wird.

Eine Näherin, die in Cottbus für 900 € Monatslohn gearbeitet hat, wird „freigesetzt“, um einer Näherin in Rumänien für 150 € und in Moldawien für 80 € Platz zu machen. Die Näherin aus Cottbus, die demnächst in Hartz IV hineinfällt, kann sich immer noch Textilien kaufen, die für 150 € Monatslohn hergestellt werden. Nur arbeiten kann sie nicht, sie kann sich bei schlüpfrigen Fernsehprogrammen und Kartoffelchips einen psychischen Ausgleich suchen.

Ein Volk auf dem Wege der Verblödung. Das ist kein Nationalismus. Dem hier geschilderten Ausbeutungsprozess sind Deutsche und Ausländer gleichermaßen unterworfen.

Unternehmer und Kapitalisten führen jeder auf seine Weise einen Wirtschaftskrieg, der den Kalten Krieg ersetzt hat.

Das neueste Ereignis in diesen Geschäften ist die „Übernahme“ der Frankfurter Börse. Der Vorstandsvorsitzende, Herr Seifert, hatte viel Geld zusammengetragen für den Aufkauf der Londoner Börse. Aber ein Großinvestor, ein noch größerer Schelm als er, um mit Gotthold Ephraim Lessing zu reden, hatte sich dazwischen gedrängt. Er verhinderte den Kauf der Londoner Börse und kaufte zugleich die Frankfurter Börse. Herr Seifert bekam 10 Millionen € „Abfindung“. Das sind bei solchen Geschäften wirklich nur Peanuts. Wir sollten hier nicht von Schweigegeld reden, sonst könnte die Legalität solchen Wirtschaftens noch in Zweifel gezogen werden

Der Gedanke, alle könnten einmal Kapitalisten werden, und den Lebensunterhalt durch Spekulation an der Börse bestreiten, ist in diesem System noch nicht gereift. Eine Gesellschaft, die ihre Existenz mit Aktienspekulation bestreiten könnte, ist schwer vorstellbar. Wer soll dann den täglichen Bedarf an materiellen Gütern durch Arbeit zufrieden stellen?

In der wirtschaftlichen Talfahrt, der Deutschland in der Gegenwart unterworfen ist, fällt immer häufiger der Name Ludwig Erhard. Der Unterschied zu den Zeiten Ludwig Erhards und heute ist offensichtlich. Die Aufbauphase in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg hatte keinen Share- Holder- Value- Kapitalismus zur Grundlage. Wäre das der Fall gewesen, wäre die Trümmerlandschaft des Jahres 1945 heute noch vorhanden.

 

Zurück zum Programmpunkt Nummer 11 aus dem 25 Punkte Programm der NSDAP. Wenn auch dieser Programmpunkt nicht verwirklicht wurde, brachte die NS-Herrschaft dennoch soziale Fortschritte, die es zuvor nicht gegeben hatte. Zu Beginn des Jahres 1933 überstieg die Arbeitslosenzahl die Sechsmillionengrenze. Eine Zahl, die noch im selben Jahr um mehr als zwei Millionen zurückging. Die Massenarbeitslosigkeit wurde in Deutschland schneller beseitigt als in den USA. Dieser innenpolitische Erfolg wurde begleitet von außenpolitischen Errungenschaften, die wenige Jahre zuvor niemand für möglich gehalten hätte.   Dieser  Programmpunkt war auch der eigentliche Anlass zum sogenannten „Röhm- Putsch im Juni 1934. Hitler entledigte sich seiner innerparteilichen und außerparteilichen Gegner, die ihm hätten aus einer bestimmten Sicht gefährlich werden können.

Es gab in der Partei bis dahin immer noch Leute die an Hitler die Erwartung herantrugen, er solle das im Programmpunkt Nummer 11 gegebene Versprechen auch wirklich einlösen.

Ihnen machte Hitler am 30. Juni 1934 durch Mord ein Ende.

Die internationale Presse kommentierte das Ereignis mit Lobreden auf Hitler. Das „Hamburger Fremdenblatt“ veröffentlichte in seiner Ausgabe vom 2. Juni 1934 Auszüge aus solchen Pressekommentaren.

Der Röhm- Putsch, und was ihm voranging, macht eine gesonderte Betrachtung nötig.

 

Literaturverzeichnis:

Deuerlein, Ernst(Hrsg.): Der Aufstieg der NSDAP in Augenzeugenberichten

München 1978

Hofer, Walther: Der Nationalsozialismus Dokumente 1933- 1945

Frankfurt a. M. 1957

Zentner, Kurt: Illustrierte Geschichte des Dritten Reiches

München 1965

Die Einrahmung für das 25 Punkte Programm ist einer Dokumentensammlung des Weltbild- Verlages entnommen.

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